In dieser Folge geht es um die Stärken von Personen mit Legasthenie. Höre hier direkt in die neue Folge rein.
Für Folge 47 habe ich mit meiner Freundin Bea Weinbauer gesprochen. Mit ihrer Facebook-Gruppe und in ihrer Beratung unterstützt sie Eltern von Kindern mit Legasthenie und auch Kinder mit Legasthenie dabei, auch die Stärken davon zu sehen. Oft hat sie festgestellt, dass es im Leben von Kindern mit Legasthenie nur um das geht, was nicht gut klappt und dass immer noch mehr geübt werden soll, besser zu schreiben. Sie fokussiert sich mehr auf das Positive und möchte den Kindern auch den Spaß am Lernen behalten.
Wir sprechen darüber, was Legasthenie überhaupt ist, wie es sich im Alltag zeigen kann und wie Eltern und andere Bezugspersonen Kinder mit Legasthenie unterstützen können. Auch geht es um andere Formen der Neurodiversität und wie wir unser eigenes Warum für unser Leben finden können.
Also wieder eine bunte Folge mit vielen spannenden Impulsen, selbst wenn du gerade denkst, dass das Thema Legasthenie dich vielleicht nicht direkt selbst betrifft.
CN: Ableistische Sprache
Da wir manchmal sehr negativ über uns selbst denken, werden in dieser Folge auch teilweise Wörter benutzt, die ich als ableistische Sprache bezeichne. Ich möchte dies am Anfang transparent machen, dass es mir bewusst ist, es jedoch noch oft genutzte Wörter sind, die leider viele Menschen immer noch benutzen – entweder um über sich so zu sprechen oder auch über andere. Wir können gemeinsam lernen, weniger dieser Wörter in unserem Alltag zu nutzen.
Du kannst dir die Folge direkt hier anhören:
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Darüber sprechen wir in dieser Folge
- Über Bea Weinbauer
- Wie sie ihr Warum im Leben gefunden hat
- Begriffe erklärt: Legasthenie, Dyslexie und LRS
- Diagnose von Legasthenie
- Wie können Kinder mit Legasthenie am besten unterstützt werden?
- Einen positiven Blick auf das Thema haben
- Vorteile und Nachteile von einer Diagnose
- Die Stärken von Legasthenie
- Die Schulzeit für Kinder mit Legasthenie
- Austausch mit anderen Personen, mit ähnlichen Themen
- Wie wir uns kennengelernt haben
- Beas eigene Selbstfürsorge
Einleitung in die Folge
Mechthild [00:00:00]:
Hallo, herzlich willkommen zu Folge 47 von Inklusive Achtsamkeit – der Podcast. Ich freue mich, dass du wieder dabei bist, dass du dir diese Folge anhörst, die ich mit Bea aufgenommen habe. Bea und ich kennen uns jetzt auch schon fast zwei Jahre. Und woher wir uns kennen, da sprechen wir auch noch am Ende der Folge etwas drüber.
Über das Thema der heutigen Folge
Im Laufe der Folge tauschen wir uns über ihre Arbeit im Bereich der Unterstützung von Kindern mit Legasthenie und auch Eltern von Kindern mit Legasthenie aus und teilen auch noch ganz viele andere spannende Dinge, auch im Bereich Neurodiversität. Und schau wieder, was dir guttut, das sage ich ja immer am Anfang der Folge, dass es ja immer Selbstfürsorge geht, ob das gerade Themen sind, mit denen du dich beschäftigen möchtest.
Empfehle die Folge gerne weiter
Mechthild [00:01:05]:
Und vielleicht gibt es auch jemanden, den du die Folge weiterleiten möchtest, wo du denkst, das wäre interessant für die andere Person, dann würde ich mich natürlich auch darüber freuen. Und auch immer über Rückmeldungen und Bewertungen auf allen Plattformen.
Das hilft dann auch wieder, dass die Folge neuen Leuten vorgeschlagen wird. Also vielen Dank fürs Zuhören und jetzt viel Spaß mit der Folge.
Vorstellung von Bea Weinbauer
Hallo liebe Bea, schön, dass du die Zeit hast im Podcast zu sein, dass wir uns jetzt auch endlich hier mal austauschen und nicht nur immer so in unseren anderen Räumen, wo wir sprechen, dazu auch später noch mehr. Genau, ich fange immer so an, dass ich meine Gästin einmal vorstellen lasse, ihren eigenen Worten etwas über dich zu teilen.
Beas Herzensthema Legasthenie
Bea Weinbauer [00:01:39]:
Danke. Danke auch für die Einladung zu deinem Podcast. Ich könnte ganz viel Verschiedenes über mich erzählen, aber heute würde ich gerne über das Thema Legasthenie reden. Und zum Thema Legasthenie bin ich gekommen durch viele verschiedene Zufälle, wenn man so mag, und begonnen hat alles irgendwie mit der Corona-Pandemie. Ein Monat vor der Corona-Pandemie hat meine Bildungskarenz gestartet, die über eineinhalb Jahre in Planung war. Und mit einem Schlag stand die ganze Welt still. So auch bei mir, alle meine Pläne waren plötzlich nicht mehr so umsetzbar. Für mich war das auch ein perfekter Moment, mich mit manchen Büchern auch zu beschäftigen, mit manchen Autoren, unter anderem auch mit Simon Sinek. Ich weiß nicht, kennst du den?
Mechthild [00:02:39]:
Ja, ich kenne ihn auch. Und vielleicht nicht alle, aber du erzählst ja vielleicht auch gleich noch ein bisschen mehr, was er so macht.
Das eigene Warum finden
Bea Weinbauer [00:02:40]:
Also, Simon Sinek hat unter anderem das Buch geschrieben, Start with Why. Und er war schon länger davor auch eine Inspiration für mich. Ich finde die Art, wie er inspiriert, Sachverhalte auch in Worte fasst, ich finde das einfach wirklich total toll. Ich bin aber davor nie dazu gekommen, das Buch zu lesen. Und was er gemacht hat, war, er hat seine Community motiviert, während der Zeit der Isolation individuelle Buchclubs zu organisieren.
Und er selbst hat dann, ich weiß nicht, alle zwei Wochen oder so, ein YouTube Live gegeben, wo er über verschiedene Inhalte seiner Bücher geredet hat. Das war irgendwie so mein Startpunkt. Ich habe mich auf die individuelle Reise begeben zu meinem Why, zu meinem Warum, wofür, wie stehe ich auf, was motiviert mich eigentlich.
Und das war ein ganz spannender Prozess. Und in Wahrheit war das so mein Startpunkt zum Thema Legasthenie.
Der Zeitpunkt, wo sie ihr Warum gefunden hat
Mechthild [00:03:49]:
Das heißt, du hast in der Zeit gemerkt, dass so das Thema Legasthenie ein Teil deines Warums ist oder auch vielleicht dein Warum ist, Menschen darüber aufzuklären, was Legasthenie ist?
Bea Weinbauer [00:04:01]:
Genau, also der Prozess war dann auch so, dass ich, Simon Sinek und seine Mitarbeiter bieten verschiedene Kurse an und ich habe dann einige dieser Kurse besucht. Unter anderen war das der Kurs Jump start your Why. Da macht man halt diesen Prozess, den der Simon Sinek auch erklärt, mit jemandem Fremden durch. Das Why selber wird von einer anderen Person formuliert. Also es ist in Summe ein wirklich spannender Prozess und ich finde es sehr empfehlenswert.
Der Kurs, glaube ich, ist noch immer verfügbar, vielleicht in ein bisschen geänderter Form, aber das war so der Moment, wo ich auch im Gespräch mit dieser mir fremden Person, ich glaube, es war eine Person aus Kanada, realisiert habe, da gibt es ein Thema, da muss ich was tun.
Legasthenie ist ein Thema in ihrer Familie
Und zwar hat sich das alles ergeben, dass Legasthenie auch in meiner Familie stark vertreten. Und bei meiner ältesten Schwester, aber auch bei ihren Kindern. Das heißt, ich habe die Leiden der Legasthenie mehrfach in meinem Leben mitbekommen.
Als Kind damals noch ziemlich schwammig, also ich habe das damals noch nicht verstanden. Als Tante, und ich war eine sehr engagierte Tante, habe ich das dann noch einmal erlebt. Und ich habe auch erlebt, wie so viele Faktoren mitspielen. Und ich war wirklich eine sehr engagierte Tante, was auch dazu geführt hat, dass ich dann teilweise auch Gespräche mit Lehrkräften geführt habe, auch mit der Direktorin und immer wieder festgestellt habe, die Leute haben eigentlich null Ahnung über Legasthenie.
Legasthenie umfasst viele Herausforderungen
Bea Weinbauer [00:05:43]:
Und jetzt reden wir aber nicht von der Nachbarin, die keine Ahnung hat von Legasthenie. Nein, ich rede von Fachleuten, von Fachkräften, von Pädagoginnen. Dann kommen aber solche Aussagen wie, ja, der Junge ist einfach nicht bemüht genug, er ist nicht engagiert genug und er macht ja das nicht und jenes nicht und er schaut den ganzen Tag aus dem Fenster und die Sachen hat er nie mit. Und all diese Sachen, all diese Faktoren, das ist auch die Legasthenie.
Also Legasthenie zu haben bedeutet halt nicht nur, dass man beim Lesen und Schreiben Probleme hat. Die Liste der Herausforderungen ist so viel länger. Und wenn man aber schon im frühesten Kindesalter quasi, also mit Schulstart mitbekommt, du bist nicht gut genug, das schaffst du nicht und jenes schaffst du nicht und da streng dich noch ein bisschen an. Das tut etwas.
Sie wollte etwas gegen die Stigmatisierung tun
Bea Weinbauer [00:06:40]:
Also das tut etwas bei Kindern, das tut aber auch ganz viel im Familiensetting. Natürlich tut das auch im Klassenverbund so viel. Und das zu realisieren, dass da dieses fehlende Wissen, diese Stigmatisierung, diese Hilflosigkeit, dieser Frust, dass ich das einfach nicht mehr annehmen kann. Das hat eigentlich dazu geführt, dass ich mich ja sehr intensiv in den letzten Jahren mit der ganzen Thematik auseinandergesetzt habe.
Definition von Legasthenie
Mechthild [00:07:10]:
Ja, spannend. Und jetzt haben wir oft das Wort Legasthenie benutzt, aber noch nicht so genau gesagt, was es überhaupt ist oder bedeutet. Und es gibt ja auch andere Begriffe wie hinter dem auch Dyslexie und Leserechtschreibschwäche. Ist das alles das Gleiche oder gibt es da Unterschiede? Kannst du das vielleicht noch ein bisschen erklären?
Bea Weinbauer [00:07:28]:
Ja, also, ich glaube, dass das auch ein Mitgrund ist, warum es da so viel Unwissenheit gibt. Also, die Begriffe werden unterschiedlich verwendet. Es gibt keine klare Unterscheidung. Und nein, es ist nicht das Gleiche. Und doch wird es gerade auch in Deutschland als Synonym verwendet. Du hast es jetzt schon beschrieben, also die Dyslexia und die Legasthenie, das ist das Gleiche.
Mechthild [00:07:56]:
Und das eine ist nur das englische Wort und das andere von dem deutschen.
Legasthenie ist genetisch vererbbar
Bea Weinbauer [00:08:01]:
Genau, wobei es gibt auch im deutschsprachigen Raum, gerade auch so in älteren Büchern, dass oft das Wort dyslexisch auch verwendet wird. Das kann man quasi als ein und dasselbe übersetzen oder verwenden. Die LRS, die auch wieder manchmal verwendet wird, heißt, Lese-Rechtschreib-Schwäche, dann ist es wieder eine Störung. Also auch da wieder haben wir diese Schwammigkeit der Begriffe, die unterscheiden sich aus meiner Sicht ganz, ganz stark zur Legasthenie. Also die Legasthenie ist genetisch vererbbar. Es ist vergleichbar wie die Augenfarbe. Die hat man, oder man hat blaue Augen oder man hat halt keine blauen Augen. Und genau so ist das mit der Legasthenie.
Der Aufbau des Gehirns ist anders, bei Menschen, die Legasthenie haben
Bea Weinbauer [00:08:45]:
Die Legasthenie selbst ist eine, ich würde mal sagen, Andersartigkeit des Gehirns. Was meine ich? Also der Aufbau ist anders. Da gibt es zum Beispiel Studien, die sagen, dass die linke und rechte Gehirnhälfte bei Personen mit Legasthenie eine andere Gewichtsverteilung haben als Personen, die keine Legasthenie haben. Also wirklich vom Gewicht auch unterschiedlich, aber auch von der Verdrahtung, also wie das Gehirn selbst funktioniert. Und diese Andersartigkeit führt dazu, dass die Informationsaufnahme, die Verarbeitung, aber auch die Wiedergabe anders funktioniert. Jetzt ist es aber so, dass jeder von uns ja die Welt ganz anders wahrnimmt. Aber mit derLegasthenie ist es halt so, dass es als negative Konsequenz fällt, dann das Lesen und Schreiben zum Beispiel schwieriger. Ich habe ja auch schon ein paar der anderen Herausforderungen genannt, zum Beispiel auch das Uhrzeitlesen. Das fällt für ein Kind mit Legasthenie viel schwieriger als für ein Kind ohne Legasthenie.
Mechthild [00:09:54]:
Ja, Uhrzeitlesen finde ich auch schwierig. Das fällt mir auch sehr schwer. Aber ich habe ja auch eher ein neurodiverses Gehirn, deswegen schon. Genau, weil Du hattest ja jetzt mit dem Uhrzeit-lesen gesagt, was ja dann wieder auch zu der Dyskalkulie führt, was ja auch nochmal was anderes ist. Oder gehört es auch dazu?
Das neurodiverse Gehirn
Bea Weinbauer [00:10:13]:
Genau. Du hast jetzt eigentlich schon das Wort erwähnt, das neurodiverse Gehirn. Also wir haben viele verschiedene Neurodiversitäten und da zählen die Legasthenie, die Dyskalkulie, die ADHS, Autismus, also die Liste der verschiedenen Neurodiversitäten, die ist ziemlich lang. Manche der Neurodiversitäten sind sich sogar ähnlich. Also die Legasthenie zum Beispiel und ADHS, die sind sich ziemlich ähnlich. In vielen verschiedenen Aspekten, nicht in allen Aspekten, aber so kann es zum Beispiel auch sein, dass jemand mit ADHS Schwierigkeiten hat zu lesen, das einen anderen Grund hat als bei einem legasthenem Kind oder legasthenem Person. Aber trotzdem ist die Auswirkung da oder ähnlich da. Zum Beispiel Uhrzeit lesen, Zeitgefühl haben, das sind alles so Überschneidungen, die es gibt.
Neurodiversitäten kommen oft in Kombination vor
Bea Weinbauer [00:11:11]:
Was auch interessant ist, man sagt, eine Neurodiversität kommt sehr oft auch mit einer anderen Neurodiversität in Kombination, tritt sehr oft auf. Das Dilemma mit den Studien, traue keiner Studie, die du selbst gefälscht hast, aber man sagt zum Beispiel, dass 20 bis 40 Prozent der Personen, die Legasthenie haben, auch Dyskalkulie haben.
Was ist Dyskalkulie?
Jetzt habe ich schon ein paar Mal das Wort Dyskalkulie verwendet, aber noch nicht ganz beschrieben, was ist es denn eigentlich. Bei der Dyskalkulie dreht sich es die Zahlen, währenddessen es sich bei der Legasthenie die Buchstaben dreht, nämlich im wahrsten Sinne des Wortes, gibt es bei der Dyskalkulie auch die Ausprägung, dass man zum Beispiel kein Zahlengefühl hat. Also man merkt zum Beispiel auch gar nicht, wenn man zwei Zahlen zusammen addieren soll, dass das Ergebnis das und das nicht sein könnte. Also rein Gefühl her. Bei der Dyskalkulie sind auch Zahlendreher drinnen, 54 und 45, aber genauso auch dieses Mengengefühl.
Mechthild [00:12:22]:
Vielleicht können sich mehrere Zuhörer da auch mit identifizieren oder jetzt was feststellen, was sie bei sich oder bei anderen sehen. Spannend. Du hast ja schon ein bisschen gezeigt, wie sich das im Alltag zeigt, aber vielleicht gibt es noch ein paar Beispiele, die wir jetzt noch nicht gesagt haben.
Was können Anzeichen für Legasthenie sein?
Bea Weinbauer [00:12:41]:
Du hast es jetzt doch so schön angesprochen. Gibt es irgendwas oder was könnten so Anzeichen für eine Legasthenie sein? Und da ist es auch so, also das ist eigentlich bei jeder Neurodiversität so, dass es immer eine unterschiedliche Ausprägung gibt. Also es gibt nicht die eine Form von Autismus, nicht die eine Form von ADHS und auch nicht die eine Form von Legasthenie. Das ist aber auch ganz, ganz wichtig und ich glaube, das macht es auch manchmal so schwierig, weil gerade auch mit der Legasthenie jedes Kind ganz, ganz unterschiedlich ist und auch ganz, ganz unterschiedliche Unterstützungsmaßnahmen braucht.
Reim-wörter und Krabbelphase
Aber was sehr häufig vorkommt, sind zum Beispiel, dass sich gerade auch im Kindergarten die Kinder schwertun mit Reim-Wörtern, also mit eben diesem Wortgefühl auch. Bei manchen Kindern ist es auch so, dass sie spät zu reden begonnen haben oder auch eine undeutliche Sprache haben. In manchen Fachliteraturen, wobei da gibt es auch so verschiedene Ansätze, wird auch aufgezeigt, dass es manchmal mit der Krabbelphase zusammenhängt. Also manche Kinder mit Legasthenie, so scheint es, haben die Krabbelphase übersprungen.
Frühkindliche Reflexe und die Gesamtheit beobachten
Bea Weinbauer [00:13:58]:
Da hätten wir auch wieder diese Schnittfläche zwischen linken und rechten Gehirnhälften. Und eine der Förderungsmaßnahmen sind auch frühkindliche Reflexe. Also da könnte es schon auch einen Zusammenhang geben. Wobei, wichtig, nur weil ein Kind jetzt zum Beispiel undeutlich redet, heißt es nicht automatisch, dass es Legasthenie hat, aber es könnte ein Anzeichen sein. Weitere Aspekte sind zum Beispiel links-rechts. Also wenn man dann sagt, okay, das haben auch wieder viele Kinder, also auch das ist ein Anzeichen. Aber ja, ich glaube, es ist einfach wichtig, das Kind in der Gesamtheit zu beobachten. Und vor allem, weil ich ja auch gesagt habe, Legasthenie ist etwas Genetisches, auch in der Familiengeschichte zu schauen, gibt es da eine oder einen anderen Fall, wo irgendwas einmal erwähnt wurde.
In der eigenen Familiengeschichte schauen
Bea Weinbauer [00:14:52]:
Und jetzt muss man aber bedenken, und das ist eine englische Statistik, dass 80 Prozent in England nicht diagnostiziert sind. Das heißt, die Zahl wird im Deutschensprachraum viel höher sein und wenn man jetzt in der Familiengeschichte sich dann umschaut und sagt, da gibt es keine Legasthenie, das heißt da auch wirklich anders zu hinterfragen, wie war die Schulzeit für dich, was waren, so prägende Momente.
Wenn dann irgendwie in Gesprächen rauskommt, die Person ist nicht gerne in die Schule gegangen, das Lesen und Schreiben hat nicht so ganz einfach funktioniert oder die Organisation ist ein bisschen schwieriger gefallen als anderen Kindern, dann könnte, sollte man da nochmal detaillierter hinschauen. Das könnte schon ein Anzeichen sein.
Was ich aber auch noch erwähnen möchte, das ist auch eine Statistik aus England, die habe ich nämlich sehr, sehr spannend gefunden. Da heißt, dass einer von zehn überhaupt keine Probleme mit dem Lesen und Schreiben hat und trotzdem Legasthen ist. Also, wie gesagt, da traue ich keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Ich sage das immer ganz besonders, weil, auch wenn ich sage, einer von sieben hat Legasthenie, dann heißt es immer, so viele können das doch gar nicht sein. Ich weiß es nicht.
Statistisch gesehen schwankt die Bandbreite zwischen einer zu fünf und einer zu zehn. Ich habe mir dann gedacht, die goldene Mitte ist einer von sieben. Und wenn man auch davon ausgeht, dass es viel mehr Fälle von Legasthenie als ADHS gibt und die sich auch ziemlich ähnlich sind, würde es mich zum Beispiel auch nicht wundern, wenn viele Kinder, die mit einer ADHS-Diagnose versehen wurden, eigentlich Legasthenie hätten.
Was kann ich machen, um Menschen aus meinem Umfeld zu unterstützen?
Mechthild [00:16:35]:
Und wenn ich jetzt merke, dass in meinem, entweder in meinem Kind oder auch in meinem Umfeld, eine Person vielleicht Legasthenie hat, wie kann ich dann auch unterstützen oder helfen? Oder was kann ich tun?
Bea Weinbauer [00:16:47]:
Ich glaube, der Start, der wichtig ist, ist einfach mal die Information bekommen, die man braucht. Und das war das Dilemma, das ich damals als Tante hatte. Ich habe diese Informationen nicht in dem Ausmaß bekommen, wie sie mir geholfen hätte. Also kurz gesagt, ich habe vieles falsch gemacht. Was habe ich falsch gemacht? Oder was sollte man, ich rede mal positiv, was sollte man besonders beachten?
Die Person gesamtheitlich wahrnehmen
Erstens einmal, ich habe es schon erwähnt, das Kind gesamtheitlich wahrnehmen. Das heißt, es kann sein, dass die Schulzeit wesentlich anstrengender sein wird. So ist das bei der Legasthenie. Also die Kinder haben, ein Schultag ist bis zu fünfmal anstrengender als für ein Kind ohne Legasthenie.
Bea Weinbauer [00:17:34]:
Das heißt aber gleichsam, wenn ich immer nur das sehe, was nicht gut funktioniert, was noch nicht gut genug klappt, wo das Kind noch Mängel hat, unter Anführungsstrichen, oder noch mehr Übungsbedarf hat, dann dreht sich gefühlt 90 Prozent alles nur die Herausforderungen.
Genug Raum für Stärken finden
Und da finde ich, darf man als Elternteil auch darauf, oder sollte man, muss man vielleicht sogar, darauf achten, dass genug Zeit, genug Raum für die Stärken der Legasthenie da ist. Nämlich für die Stärken oder die Interessen des Kindes. Gibt es genug Zeit für sportliche Aktivitäten? Gibt es genug Zeit, Freunde zu treffen? Eben auch Ansätze finden, wie man vielleicht mit den Herausforderungen der Legasthenie gut umgeht. Das kann zum Beispiel, wir haben es ja auch schon kurz angesprochen, wie man Sachen wahrnimmt, wie man sich konzentrieren kann. Kann man das aber vielleicht auch spielerisch angehen? Kann man Übungen auch gemeinsam mit Geschwister, Kindern, mit Freunden machen, wo man übt, unter Anführungsstrichen, aber viel mehr geht es darum, dass man Spaß hat. Da gibt es schon coole Ansätze, wo man das wirklich kombinieren kann. Jedenfalls braucht es super viel Geduld, im Idealfall auch Zeit und Freude und Spaß.
Immer auch das Positive mit aufzeigen
Mechthild [00:18:58]:
Ja, das ist ja eben auch, was du in deiner Arbeit, was ich so mitbekommen habe, auch mit deinen Angeboten immer versuchst, auch eher das Positive zu sehen und die Freude und den Spaß auch hervorzuheben.
Bea Weinbauer [00:19:10]:
Definitiv, definitiv. Ja, also man weiß das und es ist wirklich spannend. Ich habe ein Projekt gemacht, das sich über, ich glaube, es waren über 620 Tage, gezogen hat. Und in diesem Projekt habe ich mit ganz vielen verschiedenen Kindern, jeglichen Alters, sogar Jugendlichen und Erwachsenen, war ich im Austausch, genauso wie mit den Eltern oder auch den Pädagoginnen und auch weiteren Interessierten. Also das Projekt hat sich wirklich an alle gerichtet. Und das Spannende ist, und das können Kinder sein aus den besten Voraussetzungen, also wo die Unterstützung der Familie da ist, wo die Unterstützung der Lehrkräfte da ist. Wenn man dann aber ein Gespräch mit dem Kind führt, kommt dann doch raus, dass sich das Kind dumm fühlt. Da reden wir jetzt aber von Situationen, wo alles perfekt ist und trotzdem fühlt sich das Kind dumm.
In ihrem eigenen Projekt bringt sie innovative Ansätze mit rein
Bea Weinbauer [00:20:10]:
Dieses Projekt hat gerade auch durch diese vielen innovativen Ansätze mir immer wieder aufgezeigt, wie wichtig es ist, diese Stärken in den Vordergrund zu stellen, dem Kind auch zu erklären, was die Legasthenie bedeutet, nämlich in einer Art und Weise, dass es das Kind versteht. Dass das Kind auch lernt, sich nicht mit anderen zu vergleichen. Was man natürlich tut. Man schaut nach links in der Klasse, man schaut nach rechts. Jeder kann schon lernen. Weiß ich nicht. Dann sind es so Sachen wie man hat das Geodreieck vergessen oder irgendwas, was man mitnehmen wollte, weil man es vergessen hat. Und man hat es sich aber doch so vorgenommen und schwuppdiwupp sind wir schon wieder in einer Frustschleife.
Es ist in Ordnung anders zu sein
Bea Weinbauer [00:20:55]:
Und wenn das Kind aber dann realisiert, ich mache das ja nicht absichtlich. Also, so wie das Kind nicht absichtlich aus dem Fenster schaut in einem Moment, wo es zu viel wird oder vielleicht schaut das Kind aus dem Fenster, weil es sich dadurch besser konzentrieren kann, so macht das Kind das auch nicht absichtlich, dass es Sachen vergisst. Und wenn die Eltern da auch Bescheid wissen und da auch eine gewisse Rolle übernehmen, eine gewisse Unterstützung übernehmen.
Und ja, das heißt auch, und das kann sogar noch in der vierten Klasse sein oder vielleicht sogar darüber hinaus, dass man das Kind erinnert, dass man wirklich aktiv gemeinsam noch mal die Schultasche packt, dass man schaut, ist alles eingepackt, welche Unterrichtsfächer heute anstehen oder was heute als Freizeitaktivität noch mal geplant ist. Also dieser Dialog, aber im Idealfall eben nicht vorwurfsmäßig, sondern mit viel Geduld, mit viel Akzeptanz, sodass das Kind einfach spürt, die Andersartigkeit. Es ist okay, anders zu sein. In Wahrheit sollte das jedes Kind spüren, egal in welcher Art oder Weise sie dient, egal mit welchem Hintergrund. Jedes Kind, so wie es ist, ist eigentlich perfekt.
Ist Legasthenie eine Behinderung?
Mechthild [00:22:12]:
Das ist schön. Das ist auf jeden Fall ein guter Satz. Wir haben ja schon viel über die Diagnose geredet und ich habe teilweise gesehen, dass es auch als Behinderung anerkannt wird, was ja auch wieder einen gewissen Vorteil für den Nachteilsausgleich hat. Ist das ein schwieriger Prozess oder wie funktioniert das? Oder wie siehst du das auch aus deiner Sicht?
Vorteile und Nachteile von einer Diagnose
Bea Weinbauer [00:22:36]:
Vielleicht beginne ich mit dem letzten Teil der Frage. Ich sehe das kritisch, ich muss das echt sagen. Ich sehe das wirklich, wirklich kritisch. Das Thema ist so stigmatisiert. Also ich habe so viele Leute getroffen, vor allem vielleicht auch im ländlichen Bereich, die bewusst keine Diagnose wollen, damit eben nicht das Kind diesen Stempel bekommt. Jetzt haben wir aber die Situation, und die ist in Deutschland noch stärker ausgeprägt als in Österreich, dass dadurch, dass es eine Behinderung ist, gibt es Vorteile. Und diese Vorteile sind in Deutschland zum Beispiel, dass man in manchen Fällen, auch das ist wieder nicht ganz klar definiert, oder schon klar, aber wird halt oft auch abgelehnt, bekommen die Kinder Legasthenie-Trainings bezahlt und dadurch einen leichteren Zugang, sage ich mal. Das heißt noch immer nicht, dass man sofort jemanden passenden findet für das Kind, aber wenigstens ist so diese finanzielle Hürde nicht da.
Diagnose ist ein längerer Prozess
Bea Weinbauer [00:23:35]:
So, und das geht aber nur mit einer offiziellen Diagnose. Und da beginnt das Ganze, weil die offizielle Diagnose kostet in Österreich im Durchschnitt so 400 bis 600 Euro. Jetzt ist es so, dass es Bildungseinrichtungen gibt, die das dann aber fast jährlich erneuert haben wollen. Das heißt, man läuft da mit dem Kind, das schon glaubt sehr oft, wie gesagt, in meinen Fällen ist die Trefferquote fast 100 Prozent, dass es nicht gut genug ist, dass es sogar dumm ist. Und jetzt muss man mit dem Kind da zu einem Psychologen, da muss man dann Tests machen, das zieht sich auch wahnsinnig in die Länge, da muss gelesen werden, ein Intelligenztest gemacht werden und und und. Dann gibt es eine Bestätigung. Ja, mit dir ist irgendwas nicht in Ordnung, da bekommst du quasi den Bescheid. Du hast Legasthenie.
Bea Weinbauer [00:24:28]:
Du hast so quasi eine Behinderung. Und ja, es ist ein bisschen ein Teufelskreis, ich verstehe es. Also wenn es so ist wie in Deutschland, wo man sagt, es gibt noch einen Vorteil, okay.
Konsequenzen von einer Diagnose
Was es auch zur Konsequenz haben, was eine Konsequenz sein könnte, ist, dass das Kind dann sagt, ja, ich habe den Eindruck, ich bin dumm und es wird bestätigt. Und wenn man diese Verbindung dann auch noch hat mit dieser Behinderung, kann es sein, dass das Kind einfach sagt, ich kann das nicht. Ich kann nicht lesen, ich kann nicht schreiben, ich kann das nicht. Also so, man gibt ein bisschen auf vielleicht. Und das finde ich halt schade, weil in Wahrheit, mit der richtigen Methodik, und ich lehne mich da vielleicht weit aus dem Fenster, aber ich stehe dazu, ich glaube, dass jedes Kind mit Legasthenie lesen und schreiben lernen kann.
Das Umfeld ist wichtig
Bea Weinbauer [00:25:17]:
Ich glaube, mit der richtigen pädagogischen Maßnahme und mit dem richtigen Umfeld, zu Hause wie auch in der Schule, wäre das machbar. Und wenn ich aber jetzt dann sage, ich habe die Behinderung, ich kann das nicht, das wissen wir ja auch bei uns Erwachsenen. Wenn ich sage, ich kann irgendwas nicht, dann mache ich das nicht. Und es ist bei dem Kind ja nichts anderes. Und in Österreich ist es aber zum Beispiel so, dass es gar keine finanziellen Unterstützungen gibt für Legasthenie-Trainings.
Das heißt, diese Diagnostik, die von der Schule gefordert wird, die auch wieder eine lange Wartezeit mit sich bringt, hohe Kosten mit sich bringt, die Bestätigung, dass das Kind nicht gut genug ist, nicht gut genug funktioniert. Jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter, in der Schule auch nichts nochmal Anklang findet. Also ich habe jetzt aktuell, bin ich glaube ich mit vier Eltern in Wien, nur in Wien, im Austausch, deren Lehrkräfte, also die Lehrkräfte der Kinder es nicht schaffen, den Nachteilsausgleich, so wie es eigentlich in dem Erlass, so heißt das in Österreich, definiert ist, dass das nicht umgesetzt wird. Und das sind vier Fälle, wo die Eltern dahinter sind.
Lernen damit umzugehen
Bea Weinbauer [00:26:33]:
Die Eltern kommen auch zu diesen Eltern-Austausch-Formaten, die ich anbiete. Und die Lehrkräfte schaffen es nicht. Und letztens war die Rückmeldung von deinem Vater, der gesagt hat: Ich glaube, mein Lehrer hat damals mehr Wissen über Legasthenie gehabt als die Deutschlehrerin meines Sohnes. Ich meine, das gibt es doch nicht. Aber Jahrzehnte dazwischen, es gibt die Diagnose und trotzdem ändert sich nichts. Und darum finde ich es halt echt schwierig. Für mich ist es keine Behinderung, auch weil, wenn die Legasthenie richtig unterstützt wird, ja, man hat eine andersartige, die hat man ja mit ADHS zum Beispiel auch.
Aber wenn man lernt, damit umzugehen, und es ist keine Sache, es ist nicht heilbar oder so, aber man lernt, damit umzugehen, wenn man es lernt, sich selbst anzunehmen, wenn man lernt, sich selbstbewusst wahrzunehmen, sich selbst einmal. Wenn ich weiß, was ich brauche, um mich konzentrieren zu können, was ich brauche, was auch immer, dann ist die Legasthenie keine Behinderung. Ich gehe sogar noch weiter.
Die Stärken der Legasthenie
Bea Weinbauer [00:27:43]:
Und darüber haben wir jetzt noch gar nicht so geredet. Aber die Stärken der Legasthenie, die legen es eigentlich nahe, dass man im Idealfall als Erwachsener sogar ein super erfolgreiches Leben leben kann. Also so viele Unternehmensgründer, so viele Innovationen, die auf Personen mit Legasthenie zurückgehen. Und ja, da reden wir jetzt über die Fälle, wo das Kind selbst mit dem Frust gelernt hat, umzugehen. Aber auch die Eltern, ganz, ganz oft auch die Mütter haben das Kind auch entsprechend unterstützt. Oder es gab irgendeinen anderen Mentor, der irgendwie das Kind auch motiviert hat, dann im Heranwachsen auch diese Stärken wahrzunehmen. Aber Bodo Schäfer ist ein Beispiel von so vielen. Also auch die Talente, die er mitbringt, das ist so Sinnbild der Legasthenie. Und das sind aber so viele.
Bea Weinbauer [00:28:39]:
Wir hätten weder Ikea-Möbel, noch hätten wir ein Apple-Smartphone, noch hätten wir Autos, so wie wir sie jetzt verwenden. Weil auch der Ford war ein Legastheniker.
Mechthild [00:28:53]:
Und Walt Disney war auch Legastheniker.
Bea Weinbauer [00:28:56]:
Genau, genauso wie Richard Branson oder Jamie Oliver und der Formel 1-Fahrer Lewis Hamilton. Jetzt nehme ich gleich auf einen Schlag drei Engländer, die ganz offen auch mit der Legasthenie umgehen. Das haben wir ja leider im deutschsprachigen Raum nicht, aber wer weiß, vielleicht ergibt sich auch durch unser heutiges Gespräch so die eine oder andere unter Anführungsstrichen mutige Person, erwachsene Person, die auch offen erzählen möchte, was die Legasthenie oder wie die Legasthenie für jemanden war, der einfach auch ein Vorbild sein kann. Das braucht es, glaube ich auch noch viel mehr.
Vorbilder sind wichtig
Mechthild [00:29:34]:
Vorbilder sind wichtig, aber dafür ist ja auch wichtig, dass es so akzeptiert wird, dass es halt in Ordnung ist, die Legasthemie auch vielleicht als etwas wahrzunehmen, was da ist und nicht irgendwie es wegzudrücken zu wollen. Deswegen finde ich natürlich, was du sagst, mit der Behinderung auch wichtig, aber andererseits ist es halt etwas, wo man vielleicht auch teilweise Unterstützung auch braucht und durch so eine Anerkennung wird das vielleicht auch mehr.
Beispiel aus den Niederlanden
Ich habe ja in den Niederlanden studiert und da war es schon vor 15 Jahren so, dass selbst in der Uni die Leute, die Legasthenie hatten, ihre Klausuren länger schreiben durften und auch in einem anderen Raum, weil sie auch vielleicht mehr Ruhe brauchen. Also weil normalerweise in unserem Studium in den ersten Semestern waren wir fast 500 Studenten und dann haben die teilweise in so einem riesigen Raum mit allen Studenten geschrieben und wir hatten die Leute, die das brauchten, die konnten das beantragen, dass wir halt in einem kleineren Raum, wo dann vielleicht nur fünf bis zehn Leute waren, geschrieben haben und auch extra Zeit hatten.
Und so etwas weiß ich nicht, ob es das in Deutschland oder Österreich überhaupt gibt an den Unis, aber ich kann es mir nicht vorstellen. Deswegen so einfach, dass es diese Möglichkeit gibt, das auch anzuerkennen, dass man mehr Zeit für manche Sachen braucht und dann aber auch die Uni schaffen kann und das gar nicht vorstellbar ist, dass man irgendwie Abi macht und an die Uni geht.
Nachteilsausgleich ist wichtig
Bea Weinbauer [00:31:01]:
Ja, also auf den Universitäten gibt es da schon auch verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten. Das Dilemma ist aber, dass der Anteil der Personen mit Legasthenie, die dann ein Studium machen, doch sehr gering ist. Und es braucht jedenfalls einen Nachteilsausgleich. Also der Nachteilsausgleich, der ist essenziell. Was ich halt ein Dilemma finde, ist, wenn das immer nur gekoppelt ist an einer Diagnose. Natürlich verstehe ich es auch, wenn man sagt, okay, aber im Sinne der Gerechtigkeit. Okay, ich glaube schon, dass eine gute, engagierte Pädagogin wahrnimmt, wo das Kind gerade steht. Und jetzt ist es aber so, dass die Klassen immer größer werden, die Strukturen immer schwieriger, die Themenliste wird immer länger.
Die Strukturen an den Schulen
Bea Weinbauer [00:31:56]:
Das heißt, das Dilemma ist ja, das Schulsystem, so wie es ist, funktioniert einfach nicht in dem Ausmaß. Das wissen wir alle. Und es ist ja auch überhaupt nicht zukunftskonform. Also da werden Sachen unterrichtet, die quasi in zehn Jahren, wenn die Kinder dann fertig sind mit der Schulbildung, gerade auch in Zeiten von künstlicher Intelligenz und und und und. Aber das ist ein ganz eigenes Thema. Das heißt, das Dilemma ist, durch diese strukturellen Gegebenheiten kann die Lehrkraft noch so engagiert sein. Und ich habe so viele engagierte Lehrkräfte getroffen, dass ihnen trotzdem manchmal die Hände gebunden sind. Und manchmal ist auch diese Situation so skurril, dann beschweren sich andere Eltern von anderen Kindern, weil das eine Kind dann einen Nachteilsausgleich bekommt.
Individuelle Unterstützung ist wichtig
Bea Weinbauer [00:32:46]:
Also das Dilemma per se, wenn man sich das wirklich aus einer Gesamtheit anschaut, sieht man plötzlich, dass es so viel mehr Akzeptanz braucht. Also in Wahrheit bräuchte es so die Lehrkraft, die das Wissen hat, die vielleicht auch nicht ganz alleine dasteht, sondern da auch weitere Kollegen und Kolleginnen hat, die auch sich einander unterstützen. Auch das gibt es ja nicht in allen Schulformen. Wo man dann aber auch das Kind so unterstützen kann, jedes einzelne Kind so, wie es gerade sich entwickelt.
Und wo die Eltern aber auch dann das Expertenwissen und die Expertise der Lehrkraft nicht infrage zu stellen haben. So, haben wir jetzt alles, aber nicht in dem Ausmaß. Das heißt, der Nachteilsausgleich, den braucht es jedenfalls, denn die Legasthenie zeigt sich gerade auch in den ersten Schuljahren wirklich. Das Schulleben ist ein Vielfaches anstrengender. Also ich habe es vorher schon erwähnt, auch da ist eine Statistik aus England, bis zu fünfmal anstrengender ist ein einziger Schultag.
Der Schultag ist sehr anstrengend für Kinder mit Legasthenie
Bea Weinbauer [00:33:53]:
Das heißt, am Montagnachmittag ist das Kind eigentlich schon am Freitag, wenn das jetzt alles geballt wäre. Das Dilemma ist aber, dass es nicht immer Zeit ist. Warum? Ein kleines Kind oder ein junges Kind hat in Summe noch eine sehr beschränkte Konzentrationsspanne. Da zu sagen, du hast ein bisschen mehr Zeit für die Prüfung oder für einen Test, bedeutet ja meistens auch, dass das Kind weniger Zeit hat, draußen zu spielen, aber auch wieder Energie zu tanken oder sich zu bewegen.
Und gleichsam, wenn die Puste aus ist und man sagt dann aber, naja, aber du hattest ja mehr Zeit, ist es so ein Dilemma. Und das andere Dilemma, jedes Kind oder jede Person mit Legasthenie ist ja ganz anders auch zu unterstützen. Das heißt, ganz oft ist es so, dass die Lehrkräfte dann sagen, ja, aber das hat bei dem einen Kind ja super funktioniert, das mache ich jetzt bei jedem. Aber das ist so schwierig, weil das eine Kind schafft, vielleicht bei einem Diktat vier Wörter mitzuschreiben. Das andere Kind möchte das ganze Diktat mitschreiben und würde sich aber eigentlich langweilen, wenn es nur vier Wörter aufschreiben dürfte.
Immer von Situation zu Situation schauen, was gebraucht wird
Bea Weinbauer [00:35:10]:
Das heißt, im Realfall kann man den Nachteilsausgleich in einem Dialog zwischen den Eltern, dem Kind und der Lehrkraft immer individuell entscheiden. Und auch so, dass es nicht angepasst werden kann. Und was ich auch erlebe, ist ganz oft, wenn man die Kinder dann fragt, wie viele Lernwörter möchtest du üben, dann sagen die Kinder oft eine manchmal sogar zu hohe Zahl, weil sie es ja wirklich wollen.
Das Dilemma ist, und das macht die ganze Geschichte auch so anstrengend. Bei der Legasthenie ist es so, dass wenn man mehr, mehr, mehr, mehr übt, heißt das nicht, dass die Kinder die Lernwörter sich dann merken. Das ist genau dieses Dilemma. Das heißt, es kann vorkommen, und da kenne ich auch ganz viele Geschichten, da sitzen die Eltern wirklich mit dem Kind jeden Tag so zwei, drei Stunden noch und üben die Lernwörter für das nächste Diktat und dann ist das Diktat, das Kind bemüht sich und trotzdem sind Fehler drinnen. Und dann sind es aber vielleicht auch in so unter Anführungsstrichen einfachen Wörtern wird das Wort fünfmal verschieden beschrieben. Das ist die Legasthenie.
Mehr Üben hilft oft nicht wirklich
Bea Weinbauer [00:36:24]:
Und dann sagt man, und das ist jetzt ein Fall, an den ich jetzt konkret denke, kommt die Rückmeldung über einfach noch ein bisschen mehr. Das Kind sitzt aber jeden Tag nach der Schule noch gut zwei Stunden für Hausübung und die Lernwörter und dann heißt es noch, übe ein bisschen mehr. Das heißt, bei Legasthenie weiß man, gerade auch in stressigen Prüfungssituationen kann es sein, dass die Umsetzung nicht so gut funktioniert. Auch eine Akzeptanz schaffen, da auch zu lernen, wie man mit Fehlern umgeht. Da auch zu sagen, ich sehe, du hast dich bemüht. Schau mal, vielleicht auch wirklich mit einem grünen Stift mal alle richtigen Wörter anstreichen und markieren. Oder und wenn es wirklich unter Anführungsstrichen eine Katastrophe ist, ich bin mir sicher, irgendwas Positives, wenn man es sucht, findet man es. Wenn man es sehen möchte, findet man es.
Es ist wichtig, die Bemühung zu sehen
Bea Weinbauer [00:37:16]:
Es macht einen ganz großen Unterschied, ob wir als Erwachsene positive Sachen sehen wollen und auch lernen zu sehen und ob wir das auch rückspiegeln an die Kinder, wo wir sagen, wir nehmen wahr, dass du dich bemühst. Und in Österreich ist es so, dass im Arbeitsgesetz steht, ein Mitarbeiter hat sich zu bemühen. Ich denke mir, warum sollte das nicht umgelegt werden auf die Kinder? Ein Kind sollte sich einfach nur bemühen. Und das kann eben bedeuten, dass die Leistung schwankend ist. Und das ist bei der Legasthenie so.
Also in einem Moment schreibt das Kind hoch komplizierte Wörter richtig, zehn Minuten später wird plötzlich ist, was mit drei Buchstaben besteht, wird so was von falsch geschrieben, dass plötzlich fünf Buchstaben drin sind. Und dann aber auch das Wissen zu haben, auch für das Kind selbst zu sagen, das ist die Legasthenie. Das ist, glaube ich, ganz essenziell.
Zusammenfassung von Bea’s Tipps für den Umgang mit Legasthenie an der Schule
Bea Weinbauer [00:38:11]:
Also ich fasse nochmal zusammen.
Die Legasthenie macht die Schulzeit ein Vielfaches anstrengender.
Es braucht das Wissen bei den Lehrkräften, es braucht aber auch die Empathie und es braucht auch diese gewisse Flexibilität, auch im Klassen-Setting, wirklich zu sagen, welcher Nachteilsausgleich, also Ausführung des Nachteilsausgleichs ist für die jeweilige Situation hilfreich.
Und was auch nochmal wichtig ist, die Legasthenie hört nicht nach dem Fach Deutsch auf. Also Legasthenie betrifft alle Fächer, Biologie genauso wie Mathematik, wenn wir plötzlich Textaufgaben haben. Und das Interessante ist, dass die Legasthenie, oft sind es dann so, dass wenn der Stoff dann schwieriger wird, dann ist das Kind plötzlich viel besser. Das heißt, das Kind, das Legastene-Gehirn, ist auch ein sehr schnelles Gehirn. Ich beschreibe das immer so, das ist so wie, die Kinder haben ein Formel-1-Auto.
Viele Gedankengänge parallel
Bea Weinbauer [00:39:13]:
Die Gedanken, manche schaffen es wirklich, fünf Gedankengänge parallel zu haben. Wirklich parallel zu haben. Und weil sie auch teilweise unterfordert sind. Also dieses Dilemma, man packt sie so in eine Schutzfolie und so, das ist auch nicht der richtige Ansatz, sondern da auch wirklich immer wieder das Kind aktiv mit an Bord holen und sagen, was traust du dir zu, was möchtest du versuchen, was bist du bereit zu tun. Und dann aber auch vielleicht am Tag der Prüfung, dass das Kind sagen kann, ich habe jetzt schon schlechten Moments gehabt und es ist okay, weil es die Tage davor geübt hat.
Erwachsene Menschen mit Legasthenie
Mechthild [00:39:55]:
Spannend, da können wir sicher noch viel mehr drüber reden, aber ich habe noch eine Frage, du sagst, es hört nicht nach dem Deutsch auf, aber es hört ja auch nicht nach der Kindheit auf, wie es denn im Erwachsenenleben für Menschen mit Legasthenie ist. Vielleicht kannst du da auch noch ein bisschen was zu sagen.
Bea Weinbauer [00:40:08]:
Genau, man merkt schon, mein Hauptfokus bezieht sich auf die ersten Schuljahre. Der Grund ist, weil sich da halt ganz viel auch prägt. Also wie nimmt das Kind Lernen per se wahr? Wie nimmt das Kind sich selbst wahr? Wird das Kind vielleicht aber auch zu einem Störenfried in der Klasse? Also ganz viele Klassenclowns und Störenfrieds haben eine Neurodiversität. Das kann wegen Überforderung sein, kann aber auch ganz, ganz oft wegen einer Unterforderung sein.
Und das ist eben auch mitunter ein Grund, warum ich mich eben auf diese Altersspanne so fokussiere, weil wenn man da einen guten Weg ebnet, wo das Kind auch mit den richtigen pädagogischen Maßnahmen den Leseprozess, lesen lernt, schreiben lernt, lernt dran zu bleiben, obwohl es hart ist, dann ist es so, dass es eigentlich leichter wird.
Reifeprozess des Gehirns dauert länger
Also ich habe es vorher auch schon kurz angesprochen, das Gehirn ist von der Struktur anders und vom Aufbau anders und ich lese da jetzt auch ein ganz spannendes Buch, das sehr empfehlenswert ist, das heißt The Dyslexic Advantage von Brock L. Eide. Und da wird zum Beispiel auch beschrieben, dass das Gehirn einer Legasthenen-Person zwischen 20 und 25 Jahren fertig mit dem Reifeprozess ist. Das heißt, da merkt man, das dauert doch wesentlich länger, bis so das Gehirn fertig ist in der Entwicklung.
Die Lernfreude beibehalten
Bea Weinbauer [00:41:36]:
Jetzt wissen wir aber mit der Neuroplastizität, wir lernen ja das ganze Leben lang. Das bedeutet aber, man braucht einfach diese Geduld, die man nicht nur als Elternteil braucht, sondern auch als Kind und als Lehrkraft, weil die Entwicklung einfach zeitverzögert ist. Also in dem Buch wird so oft auch beschrieben, dass die Kinder Late Bloomer sind. Und genau deshalb ist es, finde ich, auch nochmal wichtig, dass man gerade auch die Anfangszeit der Schule, dass es da gute Mechanismen gibt, diese Lernfreude beizubehalten.
Wenn man es schafft, als Jugendlicher noch immer gerne zu lernen und wenn man es schafft, seine Interessen zu stärken, also die Stärken gehören ja auch gestärkt, anstehen einem, finde ich, keine Wege, also dann kann man alles machen, was man möchte. Ich finde Jamie Oliver ist auch so ein wunderbares Beispiel, der sagt von sich selbst, er kann noch immer keinen geraden Satz schreiben und trotzdem führt er ein total erfolgreiches Leben.
Mechthild [00:42:39]:
Und hat auch schon viele Kochbücher geschrieben.
Was bedeutet Erfolg wirklich?
Bea Weinbauer [00:42:44]:
Genau. Und was heißt erfolgreich? Er lebt ein für sich glückliches und zufriedenes Leben. Erfolg heißt ja nicht immer nur, dass ich super viel Geld mache, sondern er weiß, wo seine Stärken sind, er weiß, wo seine Schwächen sind und er hat wahrscheinlich eine Assistentin oder einen Assistenten, der beim Schreibprozess einfach unter die Hand greift. Punkt aus, Ende. Und ja, ich glaube, wenn man es schafft, diese schwierige Anfangszeit zu überwinden, dann stehen einem wirklich alle Wege offen. Und man sieht es auch in Deutschland. Ich merke mir leider Namen so schwer, weil es ist ein Ministerpräsident, der auch Legasthenie hat. Wie gesagt, ganz viele Schauspieler, ganz viele Innovationen, die auf Legasthenie, Personen mit Legasthenie zurückgehen, ganz viele Unternehmensgründer.
Bea Weinbauer [00:43:31]:
Also, es gibt da zwei Statistiken, diesmal aus Amerika. Circa 40 Prozent der amerikanischen Selfmade-Millionäre haben die Legasthenie. Das sieht man auch bei der Jury von Shark Tank. Das ist ja in Österreich heißt zwei Minuten zwei Millionen und in Deutschland heißt es, glaube ich, die Höhle der Löwen.
Mechthild [00:43:50]:
Ja, genau.
Die richtige Unterstützung ist wichtig
Bea Weinbauer [00:43:53]:
Die Mehrheit der Jurymitglieder haben Legasthenie. Die gehen auch ganz offen damit um. Die andere Statistik ist, dass auch ganz viele mit Legasthenie einfach auch im Gefängnis sitzen oder Süchte entwickelt haben, also Alkoholsucht, Drogensucht und da ist die Statistik auch weit über 40 Prozent. Also da merkt man wieder dieses Dilemma, wenn man in einem Umfeld aufwächst, wo man eine gewisse Unterstützung bekommt oder man als Person einfach diese Resilienz hat, kann man quasi super erfolgreich sein, wie gesagt ein zufriedenes und glückliches Leben führen. Wenn man aber in einen Teufelskreis reinkommt, in den kommen ganz viele ganz schnell, dann ist das Dilemma der mentalen Auswirkungen, der Süchte auch sehr gravierend.
Bea’s momentane Arbeit
Mechthild [00:44:48]:
Danke auch noch für das Teilen von den ganzen Studien. Es ist auf jeden Fall sehr viel Wissen, das wir alle noch mal weiterlesen können. Das Buch kann ich auf jeden Fall auch noch mal verlinken, was du eben auch gesagt hast. Du hast ja auch schon gesagt, dass du sowohl Kinder unterstützt, als auch Elterngruppen hast. Willst du noch mal ein bisschen zu deiner Arbeit sagen und was du gerade so machst im Moment?
Facebook-Gruppe für Eltern von Kindern mit Legasthenie
Bea Weinbauer [00:45:17]:
Also das Projekt ist jetzt schon offiziell zu Ende, aber ich habe das eine oder andere noch beibehalten. Und eines dieser Themen ist, ich habe eine Facebook-Gruppe gegründet, die heißt, Meinem schlauen Kind fällt das Lesen und Schreiben schwer. Ist es eine LRS oder Legasthenie?
Ja, ich habe bewusst LRS geschrieben, weil das einfach in Deutschland sehr oft als Synonym verwendet wird. Ich habe auch einen Social-Media-Account, also einen Instagram Account, wobei ich da eigentlich aktiver sein sollte. Für mich ist das eine ganz große Überwindung, weil ich auch die negativen Seiten von Social Media kenne, gerade auch für Personen mit Neurodiversität.
Aber es gibt jedenfalls diese Facebook-Gruppe und da organisiere ich auch regelmäßig Zoom-Calls mit den Eltern. Es gibt zum Beispiel auch zu dem Buch, der Dyslexic Advantage, jetzt einen Buchclub, auch ein bisschen inspiriert vielleicht von Simon Sinek, was ich heute erzählt habe, weil ganz viele mit Neurodiversität sich auch austauschen wollen. Es ist immer so, dass einer, wenn ich etwas alleine lese, und dann ist es etwas anderes, wenn ich mich mit anderen dazu austausche.
Sommerprogramm für Familien
Bea Weinbauer [00:46:26]:
Und ich plane jetzt auch ein bisschen ein Sommerprogramm. Da bin ich jetzt gerade noch in der Planung, da habe ich jetzt einen Fragebogen auch an Eltern ausgeschickt, zu schauen, was könnte oder wie könnte ein Sommerprogramm ausschauen, das Spaß und Freude bereitet, aber eben auch diese ganz wichtige Phase sinnvoll nutzt.
Also warum sind diese ganz wichtige Phase, die Sommermonate sind die einzige Zeit, wo dieser negative Schulstress endlich mal wegfällt. Und jetzt ist aber das Dilemma, dass dann ganz viele Kinder und auch Eltern sagen, ich möchte gar nichts machen, gar nichts machen.
In der Sommerzeit mit den Stärken der Legasthenie beschäftigen
Und man weiß aber, wenn man in Österreich haben wir zwei Monate Sommerferien, wenn ich zwei Monate nichts mache, ist es dann nochmal so viel schwieriger reinzukommen in die Struktur, so viel schwieriger nochmal in den Lernprozess reinzukommen.
Dann sind ganz viele Lerninhalte aber auch wieder in Vergessenheit geraten und der Schulstart, der September, Oktober, November ist dann so diese Katastrophenphase, also wo vieles einfach nochmal erschwert wird. Da dann aber auch wirklich zu sagen, okay, was braucht es im Sommer in einem wirklich für die Kinder, aber auch für die Eltern super coolen, spannenden Programm, damit sich Kinder mit den Stärken der Legasthenie beschäftigen, mit ihren eigenen Stärken befassen, dass die Eltern noch mehr über Legasthenie erfahren, auch nochmal in einem entspannteren Umfeld, wie Sie vielleicht auch selber lernen, selber noch mal entspannter zu sein. Weil, nur wenn Sie selbst entspannt sind, können Sie auch für das Kind geduldig da sein.
Es ist wichtig, auch gemeinsam Spaß zu haben
Bea Weinbauer [00:48:11]:
Ja, also es ist ein ganz buntes Programm, das ich jetzt in Planung habe. Es geht halt ganz viel auch das Thema Lernen, lernen, gemeinsam lernen, gemeinsam Spaß auch haben. Also das ist auch in den Workshops, die ich mit den Jugendlichen mache, die ist einfach eine Freude, wenn man sieht, wie die sich auch entwickeln, wie die sich öffnen, wie die Themen auch ansprechen und in Summe einfach auch Spaß haben. Und das Tollste, egal jetzt, in welche Richtung des Austauschformates ich auch denke, ist, wenn sich die Kinder und die Eltern untereinander auch unterstützen. Also wenn dann der eine Elfjährige zum anderen Elfjährigen sagt, schau mal, das könntest du so und so machen, wie findest du das? Also da merkt man, dass Empowerment nicht nur in meinem Why steckt, sondern auch im Leben steckt oder umgesetzt wurde.
Mechthild [00:49:04]:
Ja, cool, das klingt gut. Und die Infos dafür findet man über die Facebook-Gruppe?
Bea Weinbauer [00:49:10]:
Genau, also ich habe jetzt eben aktuell nur diese Facebook-Gruppe im Instagram-Account. Wie gesagt, sollte ich mehr machen, da bin ich aber nicht ganz so, wie ich sein sollte.
Wir teilen noch, woher wir uns kennen
Mechthild [00:49:23]:
Ja, dann können wir auf jeden Fall die Facebook-Gruppe verlinken, wenn Leute jetzt hier zuhören und das interessant finden, dass sie dann dazu kommen können und sich mit anderen austauschen können. Und ich hatte am Anfang gesagt, dass wir ja noch teilen wollen, woher wir uns kennen. Das haben wir jetzt noch gar nicht gemacht, deswegen auch noch mal kurz. Wir kennen uns ja jetzt auch schon fast anderthalb Jahre oder zwei Jahre fast sogar, weil wir beide in diesem Programm The Break in Spanien waren und eigentlich auch in einer Gruppe sein sollten.
Aber ich hatte ja schon öfter in einem Podcast auch erzählt, dass dann bei mir sich kurz vorher noch was mit der Barrierefreiheit geändert hatte und ich deswegen in eine andere Gruppe gekommen bin. Aber Bea und ich haben irgendwie trotzdem den Kontakt gehalten und auch über die Zeit.
Andere Perspektiven einnehmen
Bea Weinbauer [00:50:15]:
Ich glaube, ich war eine der ersten Personen, die sich auch bei dir gemeldet hat und gesagt hat, es ist so gut, dass du nicht hier bist. Der Ort war vieles, aber nicht barrierefrei. Also, im Summe, der Ort waren so irgendwie vier Straßen und auch Berghoch und hügelig. Genau, und dann war halt auch, also es war wirklich, ja, es war ein schöner Moment auch, wenn man merkt, was es bedeutet, für sich selbst einzustehen.
Als ich mich umgeschaut habe und mir vorgestellt habe, wie wäre das, wenn Mechthild da wäre, habe ich mir gedacht, Gott sei Dank nicht. Ich war in einer inklusiven Volksschule, also Grundschule. Deswegen glaube ich auch, das es mir halt auch sehr geholfen, so ein Verständnis zu haben, wie sich jemand anderer fühlt. Ich selbst sitze nicht im Rollstuhl, aber ich glaube, durch meine Schulerfahrung habe ich auch gelernt, so Perspektiven und Sichtweisen zu ändern. Ich freue mich auch sehr, dass sich unser Kontakt auch so konstant hält.
Verbundenheit mit anderen Menschen
Bea Weinbauer [00:51:24]:
Wir sehen uns doch regelmäßig, trotz Stress, trotz voller Kalender. Manchmal haben wir längere Pausen dazwischen, aber ich finde, dieser Zufall, dass wir quasi fast gemeinsam im selben Ort gewesen wären, der hat zu einem wirklich, was ganz Schönen beigetragen, nämlich unserer Verbundenheit und unserer Freundschaft auch.
Bestärkung von anderen Menschen
Mechthild [00:51:48]:
Ja, das finde ich schön, weil wir haben uns ja dann auch zweimal in Spanien gesehen, am Anfang und am Ende. Das war auch schön und natürlich wäre es auch schön gewesen, mal längere Zeit dort zusammen zu verbringen, aber vielleicht ergibt sich das ja auch irgendwie anders nochmal. Aber ich fand es echt auch so schön, weil ich war natürlich schon traurig, dass ich dann nicht mit euch so da sein konnte und dass ich auch diese Entscheidung für mich dann erst mal so treffen musste. Aber das fand ich dann so schön, als du geschrieben hast, ja, es war genau die richtige Entscheidung für dich und mich auch so bestärkt hast. Und ja, dass wir ja trotzdem auch diesen Kontakt haben, auch wenn wir nicht so vielleicht die Zeit miteinander dort verbracht haben.
Es ist wichtig, sich die Zeit für das zu nehmen, was uns wichtig ist
Bea Weinbauer [00:52:30]:
Ja, für mich ist, also ich habe während des ganzen The Break Programm doch sehr viel gelernt, auch ganz viel über mich selbst. Und eine Sache, die ich mir versuche, beizubehalten ist, es liegt so viel in unseren Händen. Also, dass wir jetzt noch immer in Kontakt sind, das kommt ja nicht per Zufall. Das kommt auch, weil wir das so entschieden haben. Also, dass wir auch die Zeit finden, auch wenn es stressig ist, dass wir uns die Zeit nehmen.
Und ich glaube, dass wir sehr oft unterschätzen, was in unserer Macht steht, was in unseren Händen steht, also in unseren Händen liegt. Wir beschäftigen uns, glaube ich, ganz, ganz oft mit Themen, wo sich eigentlich gar nichts, wo wir ganz wenig, nur beitragen können, dass sich was ändert. Und da dann aber so bewusste Momente zu verschaffen, zu reflektieren, innezuhalten und dann auch zu sagen, mir ist das jetzt wichtig, dass ich Zeit habe, dass wir uns austauschen.
Zeig mir, was du tust, nicht nur, was du sagst
Bea Weinbauer [00:53:33]:
Eines der Beispiele, das war meine Konklusion. So wie du sagst, wie wir jetzt weiter tun in Zukunft. Dieses Netzwerk ist ja ein sehr großes Netzwerk. Wir sind über 1000 Frauen und ganz viel ist auch ein bisschen versumpft und da merkt man auch, viele Leute reden dann groß und haben große Pläne und dann ist aber auch immer die Frage, was passiert jetzt? Also zeig mir, was du tust, nicht nur, was du sagst. Und so wie du sagst, wer weiß, vielleicht organisieren wir für uns einfach nochmal ein Zusammenkommen, auch mit anderen oder nur mit uns, wo wir einfach sagen, ja, jetzt ist das so, wie wir uns das wünschen, weil uns das wichtig ist.
Deine eigene Selbstfürsorge
Mechthild [00:54:15]:
Ja, das finde ich schön. Das ist auch schon ein schöner Abschluss. Aber natürlich meine letzte Abschlussfrage ist immer, was du für deine eigene Selbstfürsorge gerade machst oder auch so generell gerne machst, was dir guttut in deinem Alltag.
Keine kurzen Videos mehr anschauen
Bea Weinbauer [00:54:30]:
Ich habe vor ein paar Tagen beschlossen, dass ich mir keine kurzen Videos mehr anschaue. Ich habe versucht, in einem Selbstexperiment, ich habe es vorher schon erwähnt, Social Media ist eine Sache, die extra so gestaltet wurde, dass wir Feuer und Flamme sind, dass Dopamin schießt durch unseren Körper und wir brauchen das. Und gerade auch als neurodiverse Person, wenn wir so diesen Eindruck haben, ich habe jetzt viel gemacht, ich brauche eine Auszeit.
Ja, ich war auch jemand, der dann gesagt hat, ich schaffe es nur 15 Minuten, nein nur 30 Minuten am Tag. Und in Wahrheit konnte ich mich immer wieder selbst beobachten, wie ich dieses Limit nach oben geschoben habe. Ich habe zwar immer wieder den Code eingeben müssen, 15 Minuten gehen noch, 15 Minuten gehen noch. Und ich bin jetzt seit, ich glaube, 5 Tagen dabei, mir eben gar keine kurzen Videos anzuschauen, egal in welchem Programm. Und es ist die beste Entscheidung gewesen.
Bessere Konzentration möglich
Bea Weinbauer [00:55:27]:
Seit langer Zeit, ich merke, dass ich mich viel besser konzentrieren kann, dass mein Kopf viel ruhiger geworden ist und auch, ja, dass auch der Schlaf besser geworden ist. Und auch da, wir wissen ja, wenn man gut schläft. Das ist so ein bisschen die Grundbasis für alles Weitere. Ich formuliere es anders. Wenn ich schlecht schlafe, möchte ich am nächsten Tag plötzlich was Ungesundes essen. Wenn ich was Ungesundes gegessen habe, ist plötzlich meine Konzentration wieder ein Vielfaches schlechter. Was wieder dazu führt, dass ich vielleicht mehr Dopamin in meinem Körper durch Social Media oder sonstiges reinpumpe.
Den Alltag mit Selbstliebe gestalten
Bea Weinbauer [00:56:06]:
Was wieder dazu führt, dass ich vielleicht mehr Dopamin in meinem Körper durch Social Media oder sonstiges reinpumpe. Was wieder dazu führt, dass ich schlecht schlafe. Und da jetzt rauszukommen und zu sagen, okay, was könnte ich in einem spielerischen Ansatz, nämlich wirklich ohne Druck, ohne Stress, sondern mit Leichtigkeit, mit Freude und in Wahrheit mit Selbstliebe. Was kann ich gestalten und was kann ich wie gestalten, dass es mir vielleicht auch Spaß macht? Und das sind so meine Ansätze des bewussten Achtsamen, der Achtsamkeit auch.
Immer wieder kleine Experimente durchführen
Mechthild [00:56:37]:
Das klingt auch gut und da kann man auch mal wieder neu gucken, was gerade so Themen sind, wie jetzt gerade bei dir mit den Videos. Aber vielleicht sind es dann irgendwann wieder andere Themen.
Bea Weinbauer [00:56:49]:
Wie ein Experiment. Und auch da wieder dieses Zulassen, dass man scheitert. Wie rede ich mit mir selbst? Urteile ich dann über mich selbst?
Bea Weinbauer [00:57:04]:
Also da auch mit Freude und Leichtigkeit experimentieren und einfach Spaß haben dabei, was man tut.
Abschluss der Folge
Mechthild [00:57:11]:
Ja, ich könnte noch sehr lange mit dir reden und noch auf viele Dinge, die du gesagt hast, eingehen. Vielleicht machen wir das nochmal in einer neuen Folge. Aber erstmal schließe ich diese Folge hier ab. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, alles zu teilen. Danke, dass ihr zugehört habt und ihr könnt euch gerne bei Bea und mir melden, wenn ihr noch weitere Fragen oder Rückmeldungen habt. Danke fürs Dasein und danke fürs Zuhören.
Bea Weinbauer [00:57:39]:
Tschüss!