Folge 61 – Aufklärung über MS: Warum Erfahrungsaustausch wichtig ist – Interview mit Jasmin Mir, Gründerin von aMStart

Leben mit einer chronischen Erkrankung ist nicht immer einfach. In dieser Folge spreche ich mit Jasmin Mir, der Gründerin von aMStart über ihren Alltag als Gründerin mit Multipler Sklerose und wie sie andere Menschen beim Austausch unterstützt.  Hier kannst du direkt in die Folge reinhören.

Cover von der Podcastfolge 61. Grüner Hintergrund, auf dem steht Inklusive Achtsamkeit - der Podcast für Achtsamkeit und Inklusion. Folge 61 Aufklärung über MS: Warum Erfahrungsaustausch wichtig ist - Interview mit Jasmin Mir, Gründerin von aMStart Auf der rechten Seite ein Bild von ihr.

In Folge 61 spreche ich mit Jasmin Mir, der Gründerin von aMStart. Dies ist eine Plattform, auf denen junge Menschen mit der Diagnose Multipler Sklerose in einem direkten Gespräch mit ebenfalls betroffenen Personen sprechen können. Wir haben über die Entstehung der Idee gesprochen, wie es in der Community ankommt und auch wie Jasmin es schafft, immer wieder Pausen in den Alltag zu bringen. 

Jasmin und ich haben 2022 beide an dem EU-Projekt The Break teilgenommen und waren sogar gemeinsam in Madrid. Ich habe sie dort jedoch nicht gesehen. Erst 2024 haben wir uns beim Kämpferherzentreffen in Kassel getroffen. Dort habe ich sie auch gefragt, ob sie im Podcast zu Gast sein möchte, da ich ihr Projekt sehr toll finde. 

CN: Ableismus

Während meiner Zeit bei The Break sind ableistische Dinge passiert und über einige sprechen wir dieser Folge und auch andere Diskriminierungs-Formen. Falls du gerade merkst, dass dies zu viel für dich ist, dann kannst du zwischen Minute 24 und 36 überspringen.

Du kannst dir die Folge direkt hier anhören:

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Über diese Themen sprechen wir in dieser Folge

  • Über Jasmin Mir 
  • Bewusst Pausen machen
  • Beratungsgespräch bei aMStart
  • Die Entstehung vom aMStart
  • Umgang mit Stress
  • Unsere Erfahrungen bei The Break
  • aMStart weiterempfehlen

Einleitung in Folge 61 

Mechthild [00:00:20]:

Hallo, herzlich willkommen zu Folge 61 von inklusive Achtsamkeit der Podcast. Ich bin Mechthild und ich freue mich, dass du wieder da bist und eingeschaltet hast und du dir diese Folge mit Jasmin und mir anhörst. 

Umgang mit chronischen Krankheiten

Diesmal geht es das Thema ja Umgang mit einer chronischen Krankheit, wie wir da vielleicht, wenn wir die erwerben im Laufe unseres Lebens mit umgehen. Und was auch das Angebot von aMStart ist, speziell für Menschen, die MS haben und wie Jasmin dazu gekommen ist. 

Pausen machen

Aber es geht auch viel, die Themen Pausen machen. Wir sprechen auch am Anfang ein bisschen darüber, weil wir die Folge auch schon in 2024 aufgenommen haben und sie wird jetzt im Februar 2025 veröffentlicht. Einfach weil ich selber auch mir ein bisschen Zeit geben wollte, rechtzeitig die Folgen aufzunehmen und das mit dem Interview jetzt in 2024 noch geklappt hat. 

Eine Geschichte von The Break

Jetzt nehme ich auch hier diesen Einsprecher hier auf und das dazu und wir reden auch über unsere Erfahrung bei The Break. Da war ich ja vor zwei Jahren und ich hatte auch schon in einer Podcast-Folge erzählt, dass da eine Situation war, wodurch ich noch meine Gruppe wechseln musste, aber das habe ich nie so ausführlich im Podcast erzählt, was genau da passiert ist.

Mechthild [00:01:48]:

Und diesmal hat es sich angeboten, dass ich da noch mal ein bisschen drauf eingehe und dass ich diese Geschichte auch mit euch teile, weil ich finde auch wichtig, solche Dinge, die vielleicht nicht gut sind oder wo wir schon auf unser eigenes Gefühl hören sollten und dann aber vielleicht das erst mal nicht so einfach ist und zu teilen. Genau ich will jetzt vorher nicht zu viel dazu erzählen, das kommt ja nicht der Folge und auch alles andere worüber wir sprechen.

Und jetzt wünsche ich dir eine gute Zeit beim Hören der Folge. Viel Spaß und bis zum nächsten Mal. 

Vorstellung von Jasmin Mir

Hallo liebe Jasmin, danke, dass du dir die Zeit nimmst, im Podcast zu Gast zu sein. Ich freue mich total. Wir sind ja auch schon länger in Kontakt, da reden wir bestimmt auch gleich noch drüber. Und ich fange mal so an, dass ich dich einmal in deinen Worten vorstellen lasse, wer du so bist und was du so machst.

Jasmin [00:02:46]:

Ja, cool. Hallo Mechthild, Ich freue mich auch total, gestern zu sein hier. Ich bin Jasmin. Ich bin die Gründerin und Geschäftsführerin von aMStart. Und aMStart ist eine Plattform für junge Erwachsene mit der Diagnose Multiple Sklerose. Das ist eine Art digitales Peer-to-Peer. Also man findet Gesprächspartner auf unserer Plattform, mit denen man digital und eins zu eins sprechen kann nach der Diagnose MS. Und gleichzeitig haben wir noch andere Formate.

Jasmin [00:03:11]:

Aber du hast ja nach mir gefragt. Ich bin, genau, ich lebe in Berlin, bin 30 Jahre alt und auch Yoga-Lehrerin. Deswegen finde ich es noch mal spannend, was du auch machst. Zusätzlich bin ich total begeisterte Fahrradfahrerin und freue mich auf Weihnachten und die Feiertage gerade sehr.

Ausruhen und Pausen

Mechthild [00:03:31]:

Das ist gut. Wir nehmen die Folge ja schon noch 2024 auf, wenn die jetzt im 2025 dann erscheint. Aber ich habe es einfach, mir selber auch ein bisschen Stress zu nehmen, habe ich jetzt schon einige Termine für die Podcast-Aufnahmen, wie sie sich 2024 vereinbart, damit ich jetzt schon ein bisschen vorbereiten kann. Das finde ich immer ganz praktisch. Aber ich freue mich jetzt auch auf die Feiertage, das ist ja wirklich auch der letzte Tag vor den Weihnachtsferien, zumindest für mich. Deswegen ist es schön. Wir hatten im Vorgespräch schon kurz über dieses Thema, auch sich wirklich Zeit, längere Zeit nehmen zum Ausruhen und Pausen machen. Ist ja auch ein wichtiges Thema.

Jasmin [00:04:15]:

Ja, ich glaube vor allem, wenn man in der Selbstständigkeit ist, dass man da irgendwie auch ein gutes Gefühl dafür entwickelt, wann eine Pause einfach notwendig ist. Das ist mir in der Vergangenheit nicht so gut gelungen und ich lerne das gerade auch noch mal. 

Pausen nehmen ist ein Lernprozess

Mechthild [00:04:30]:

Ja, es ist auch ein Lernprozess, weil es ist ja dann auch nicht einfach, sich freizunehmen und dann auch eine längere Zeit freizunehmen. Und so, ich finde die Weihnachtstage, die bieten sich dann dazu an, auch was zu machen. Oder dann jetzt bald kommt ja dann auch, wenn die Folge kommt, wahrscheinlich im Februar raus, dann ist bald wieder Ostern. Das kann man ja dann auch gut als Zeit nutzen, mal wirklich auch ein paar Tage am Stück freizumachen, wo es sich vielleicht auch nicht so schlecht anfühlt. Auch wenn es sich auch nicht schlecht anfühlen sollte, freizunehmen. Aber bei manchen Leuten kommt dann vielleicht dieser Gedanke, dann arbeiten alle und ich habe frei.

Das Wochenende bewusst frei nehmen 

Jasmin [00:05:09]:

Ja, weil man weiß einfach, alles läuft irgendwie gerade nicht. Ich kenne diesen Gedanken auch von so Wochenendarbeit, wenn man irgendwie am Wochenende noch sich dann doch noch mal hinsetzt. Ich habe das eine Zeit lang gemacht, weil ich das Gefühl hatte, das gibt mir irgendwie nochmal mehr mentale Ruhe, weil ich wusste, okay, heute kann ich in meinem Tempo arbeiten, wie ich möchte. Und natürlich ist es dann auch alles kreiert. Und das mache ich inzwischen einfach nicht mehr, weil ich weiß, ich brauche halt das Wochenende. Das ist schon auch ein gutes, genauso wie wir vorhin besprochen haben, Urlaub ist schon auch ein gutes Konzept, Wochenende ist auch ein gutes Konzept. Es macht schon Sinn, dass wir das haben und Pausen generell auch.

Mehr Pausen, wenn wir mit Behinderung oder chronischer Erkrankung leben 

Mechthild [00:05:48]:

Ja, gerade, auch wenn man ja mit einer chronischen Erkrankung oder Behinderung geht, braucht man wahrscheinlich auch noch mehr Pausen im Alltag als vielleicht andere Personen und muss vielleicht für sich selber das immer noch mehr erklären, aber vielleicht auch für andere mehr erklären, weil es vielleicht andere auch nicht verstehen, warum man jetzt diese Pausen mehr braucht und dass es nicht was Schlechtes oder Negatives ist, sondern etwas, was wir für unseren eigenen Körper und mentale Gesundheit auch brauchen. Ja, ja. Und ja, das sind dann wahrscheinlich auch Themen, die bei euch in der Beratung vorkommen, dieses Thema der Abstand und auch für sich selber und für andere. Oder was sind Themen bei euch in der Beratung?

Themen in der Beratung von aMStart

Jasmin [00:06:31]:

Also total unterschiedlich. Ich komme tatsächlich gerade von einem Kennenlerngespräch mit einer Person, die Gesprächspartnerin werden will. Und das ist bei uns ja das interessante Konzept, dass beide Seiten die Erfahrung mit der chronischen Erkrankung gemacht haben und quasi durch diesen Prozess gegangen sind. Prozess, auch ein Wort, das wir sehr oft nutzen jetzt, aber es passt auch wirklich sehr gut, weil man schon sieht, dass Leute, die ein bisschen länger mit der Diagnose leben, vielleicht an einem anderen Punkt stehen als eine Person, die gerade neu die Diagnose bekommen hat. Gleichzeitig können sich alle bei uns melden, die einen Gesprächswunsch haben. 

Prioritäten-Verschiebung findet statt

Und das eine Schöne, was ich so denke, viele Menschen, die Gesprächspartnerin gerade sind, eint so dieser Gedanke, den ich beobachte, auch bei den Kennenlerngesprächen, wo viele mit der Zeit hinkommen, ist dieses Ah, ich muss mich selber wichtig nehmen. Ich möchte selber freundlicher zu mir sein, dass das bei vielen durch die Diagnose ausgelöst würde. Und einfach nochmal so eine Prioritäten-Verschiebung. Und dieses, ich bin mir wichtig und ich nehme das ernst, das ist halt ein Aspekt, der, ich glaube, gerade bei der MS, weil da eben Stress auch ein großer Faktor ist, total elementar ist, dass man da irgendwie auch irgendwann mal hinkommt oder das ernst nimmt.

Oft auch sehr handfeste Fragen 

Jasmin [00:07:49]:

Genau, und gleichzeitig sind jetzt die Fragen in unseren Gesprächen nicht, wie kann ich besser auf mich selber aufpassen? Vielleicht schon auch so peripher, dass es die Leute interessiert, wie man selber mit der Diagnose umgegangen ist und was man dann selber gemacht hat, was man vielleicht auch verändert hat dadurch in seinem Leben. Es sind aber auch sehr viele, so sehr handfeste Fragen. 

Also so, boah, ich arbeite noch nebenher, ich weiß gar nicht, wie ich das jetzt meine Arbeit, soll ich das überhaupt meinen Arbeitskolleg*innnen erzählen oder meinem Chef, Chefin? 

Oder ich wollte eigentlich gerade eine Ausbildung oder ein Studium anfangen, ich weiß nicht, ob ich das noch machen soll. Wie hast du denn deine Entscheidung damals getroffen, wenn du an einer ähnlichen Situation warst? 

Gespräche auf Augenhöhe

Weil das Besondere ist halt, die Leute erinnern sich ja noch daran, weil wir alle so einem ähnlichen Lebensalterszustand sind, so 20 bis 40, und vielleicht gibt es da mehr Überschneidung. Genau, also die Fragen sind sehr bunt und gleichzeitig gibt es total viele Überschneidungen. 

Das ist auch eher ein Gespräch auf Augenhöhe als eine Beratung. Also wir nehmen sehr großen Abstand von dem Wort Beratung, weil wir uns sehr darüber bewusst sind, dass wir eben niemanden beraten können zum eigenen Leben, sondern eher, wir können aber Gespräche auf Augenhöhe führen, wir können zuhören, wir können Raum schaffen, des gegenseitigen Verständnisses und das ist auch so der Anspruch, den wir haben.

Austausch untereinander ist wichtig

Mechthild [00:09:03]:

Ja, das finde ich auch so gut, weil ich merke auch immer in meinen Community-Abenden zum Beispiel, wie wichtig da so der Austausch untereinander ist und auch zu merken, ich bin nicht alleine mit den Themen, die ich habe. Und es gibt noch andere, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder die gleichen Erfahrungen, die mir auch Tipps geben können und mir vielleicht noch mal was sagen können, wo ich selber nicht dran gedacht habe.

Du bist nicht alleine

Jasmin [00:09:26]:

Ja, ich glaube, dieses du bist nicht alleine, das ist tatsächlich so. Also wenn wir das schaffen, dieses Gefühl zu kreieren, oder dann eben auch die Gesprächspartnerin, dann ist schon voll viel geschafft. Ich glaube, Einsamkeit generell ist ja gerade ein großes Problem. Und dann aber auch Einsamkeit mit einer neuen Lebenssituation, die vielleicht Leute in meinem Umfeld nicht haben, nicht so sehr nachvollziehen können. Genau. Und gerade bei Themen wie zum Beispiel Behinderung. 

MS ist eine unsichtbare Behinderung

Also ich meine, MS ist ja auch eine unsichtbare Behinderung, wo man sich ja auch erst mal mit diesem, mit dem auch erst mal auseinandersetzen muss. Ich habe jetzt eine chronische Erkrankung.

Jasmin [00:10:02]:

Ich habe ganz lange nicht gewusst, dass das auch eine Behinderung ist. Was hat das dann nochmal mit mir gemacht? Und das sind eben Themen, die in unserer Gesellschaft nicht viel Platz finden und wo man viel Diskriminierung auch erfährt oder auch behindert wird von der Gesellschaft. Und dass man da irgendwie trotzdem sehen kann, es gibt Leute, die ganz offen damit umgehen. 

Auch bewusst diesen Anspruch haben zu sagen, hey, ich bin jetzt auf Social Media super präsent. Oder ich leiste da auch irgendwie Aufklärungsarbeit. Und du kannst gleichzeitig, es ist nicht nur ein One-Way-Ding, dass du meine Inhalte konsumieren kannst, sondern du kannst mit mir ins Gespräch kommen. Ich glaube, das ist auch ein total wichtiger Aspekt von diesem Nicht-Alleine-Fühlen. Weil man eben am Anfang denkt, man ist alleine damit und man ist die einzige Person, der das jetzt gerade passiert, im Falle einer chronischen Erkrankung.

Entstehung des Angebots von aMStart

Mechthild [00:10:55]:

Und wie ist euer Angebot entstanden und wird es jetzt auch angenommen aus der Community?

Jasmin [00:11:04]:

Entstanden ist es aus meiner eigenen Diagnose-Erfahrung. Ich wurde 2018 selber mit der Multipler Sklerose diagnostiziert und kannte die MS aus einem familiären Kontext. Es gibt sehr unterschiedliche Formen der MS. Man sagt ja auch, es ist die Krankheit mit 1.000 Gesichtern. Und ich wurde damals sehr gut aufgefangen von meiner Familie und meinen Freundinnen. Und gleichzeitig war mir bewusst, dass das ein krasses Privileg ist. Weil man sagt ja auch, so ein soziales Umfeld ist eine große Resilienzstärke, die dazu beitragen kann, dass man mit schwierigen Situationen resilienter umgeht. Und ich hatte diesen Faktor, soziales Umfeld, durch meine Familie.

Aus einem Sozial-Unternehmerischen Hintergrund

Jasmin [00:11:42]:

Wir haben eine starke Familienbande, sind ja auch eine große Familie. Mir ist gleichzeitig auch bewusst geworden, es gibt eigentlich nicht so viele andere Alternativenangebote, die ich wahrnehmen würde. Damals war ich 24 und wo ich mich gut aufgehoben gefühlt hätte. Ich hatte einfach große Hemmschwellen, in ein größeres Format zu gehen, also ein Community-Format oder ein Gruppenformat. Das wollte ich damals nicht. Genau. Und weil ich selber einen sozialen unternehmerischen Hintergrund habe und auch mal eine Initiative gegründet habe, in dem Bereich Flucht und Migration damals noch. Also ich komme eigentlich aus einem ganz anderen Bereich, war das so der nächste Gedanke. 

In Austausch gegangen mit Expert*innen und Patient*innen

So dieses, okay, jetzt habe ich wirklich auch ein persönliches Problem, ein großes, und wie ist das für andere Leute, die das erfahren haben? Und ich bin dann einfach sehr viel in Austausch gegangen mit Patient*innen, mit Multiple Sklerose, mit Expert*innen.

Jasmin [00:12:33]:

Ich bin dann ganz schnell auch durch diese Gespräche an den Punkt gekommen, okay, das ist für alle ein schwieriger Moment, die Diagnose. Auch wenn die Diagnose selbst ganz unterschiedlich aussehen kann, für alle ist das irgendwie ein einschneidender Moment. 

Wunsch nach ergänzendem Support

Und viele hätten sich noch mal einen ergänzenden Support gewünscht als das, was es aktuell damals gab. Das war halt viel in diesem Gruppenformat, analogen Format. Genau. Daraus ist dann Schritt für Schritt die Idee für aMStart gewachsen, also quasi digitale Eins-zu-eins Gespräche anzubieten, die sehr niedrigschwellig sind, über einen Laptop. Einfach den Laptop öffnen, mit einer Person reden. Angenommen wird das, also wir sind jetzt, ich habe aMStart vor zwei Jahren gegründet. 

Am Anfang war es schwierig

Am Anfang denkt man so, boah, und dann geht man live und alle, die ganze Welt weiß davon und es geht durch die Decke und es wird richtig, richtig krass.

Jasmin [00:13:24]:

Und es wurde richtig, richtig krass, aber es war nicht so, dass es irgendwie sofort von allen angenommen wurde, weil es ist ja auch eine krasse Nische, zu sagen, okay, 20 bis 40 junge Erwachsene mit MS, viele wollen anonym bleiben, wie erreichst du die? Mittlerweile sind wir bekannter, mittlerweile haben wir auch eine neue Plattform. Wir haben ein wirklich starkes Team, die sehr gute Arbeit leisten und tagtäglich dafür sorgen, dass wir einfach bekannter werden.

Über hundert Gespräche in 2024

 Im Jahr 2024 haben wir hunderte, also über, genau, hunderte Menschen miteinander ins Gespräch gebracht und evaluieren auch die Gespräche auf beiden Seiten und sehen, dass es da einfach einen großen, guten Effekt hat für die Leute, auch für ihre Stimmung. Also die Evaluationen sind immer sehr positiv. Das heißt, es wird sowohl in der Resonanz besser angenommen, weil wir bekannter werden. Aber es wird eben auch in der Erfahrung selber, wie hat das denn jetzt auf dich gewirkt, wird das sehr positiv angenommen.

Gründen mit chronischer Erkrankung

Mechthild [00:14:21]:

Cool. Und wie ist es für dich, mit einer chronischen Erkrankung oder Behinderung, auch dann zu gründen und auch selbstständig zu sein? Weil es kann ja einerseits Vorteile haben, aber es hat vielleicht auch Nachteile. Oder ist es für dich?

Jasmin [00:14:35]:

Ja, spannende Frage. Also auch eine Frage, auf die ich, glaube ich, nicht immer eine Antwort habe oder auf die ich keine statische Antwort habe. Manchmal finde ich es viel zu viel, manchmal finde ich es genau das Richtige. Also ich selber bin sehr, sehr, sehr idealistisch. Sonst hätte ich aMStart nicht gegründet. So ist es ja jetzt auch. Ich glaub, Selbstständigkeit ist immer ein besonderer Schritt, dass zu sagen, man möchte jetzt selbstständig werden. Ich war davor selbstständig, aber hatte keine Personalverantwortung.

Selbstständigkeit ist ein großer Kraftaufwand

Jasmin [00:15:05]:

Ich war Solo-Selbstständige. Das ist ein krasser Unterschied, habe ich jetzt gemerkt. Auch mit der Rechtsform und allem, was dazugehört. Und das ist, glaube ich, unabhängig von chronischer Erkrankung oder Behinderung sowieso schon erstmal ein Schritt, der mehr Kraftaufwand braucht, als an einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten. 

Und dann zusätzlich noch an einer Thematik zu arbeiten, die sehr persönlich ist, obwohl ich von Anfang an gesagt habe, ich gründe, weil mich Sozialunternehmen interessiert. Ich gründe, weil ich eine Lücke im System schließen will und nicht, weil ich die MS zu meinem Leben machen möchte, ist das nicht immer der Fall. Also ich sitze auch in medizinischen Seminaren. Am Anfang habe ich die selber moderiert und höre Dinge, die mir Angst machen. Oder arbeite dann sehr lange und merke, das hat mir jetzt gerade nicht so gutgetan. Und deswegen ist ein großes Thema, das ich gerade auch noch lernen muss, ist, wie ich am Anfang schon gesagt habe, Pausen mehr zu nehmen, aber auch mich selber, dieses, ich bin mir wichtig, das auch wirklich ernst zu nehmen.

Wachsen und Lernen

Jasmin [00:16:13]:

Und da bin ich gerade so am Wachsen und Lernen. Voll die ungenaue Antwort, aber ich meine, es gibt keine klare Antwort darauf.

Mechthild [00:16:22]:

Aber das, was du gesagt hast mit dem Lernen und Wachsen, ist wahrscheinlich jetzt mit der Arbeit, aber auch mit allem im Leben, dass es ja immer so ist, dass man guckt, was tut mir gut und dann wieder neue Sachen auszuprobieren. Genau. 

Umgang mit Stress

Und wie gehst du dann auch mit Stress um? Du hast ja auch gesagt, dass bei der MS auch der Stress einen Einfluss hat. Das ist natürlich vielleicht dann noch mehr das Thema. Und wie du damit auch umgehst.

Jasmin [00:16:50]:

Ja, also genau. Ich merke vor allem bei mir auch, dass Stress tatsächlich der auslösende Faktor. Ganz oft bei den Schüben, die ich bisher erlebt habe, war immer Stress mit im Spiel. Also es war immer so ganz klar, ich hatte gerade ein super stressiges Ereignis und jetzt habe ich den Schub. Weil man kann ja nicht immer sagen, das liegt jetzt an Stress, glaube ich. Genau, und deswegen ist da auch natürlich der Druck, der Stress nochmal höher, den Stress zu vermeiden. Gerade, es ändert sich auch immer, was ich auf jeden Fall mache, was mir sehr hilft, ist eine Therapie. Was ich auch allen total ans Herz legen kann.

Wege finden, um mit dem Stress umzugehen

Jasmin [00:17:27]:

Also, das ist einfach mein Ort, wo ich einmal in der Woche hingehe und weiß, das ist ein professioneller Raum, da kann ich einfach alles besprechen und muss nicht darauf achten, wie die andere Person das aufhängt, ob das jetzt die andere Person belastet, wie ich auf die andere Person wirke, weil es ist mein Raum. Da kann ich auch über alles reden, das hilft sehr. 

Und dann bin ich gerade so sehr obsessed mit Spinning. Also genau, das habe ich gerade so in Berlin für mich entdeckt. Also einfach Sport, aber halt einen Sport, der sehr energetisch ist. Ich habe ja auch gesagt, ich bin Yoga-Lehrerin. Das finde ich auch gut. Ich merke, gerade in meiner Lebensphase brauche ich noch mal was, noch mal energetischeres.

Jasmin [00:18:06]:

Das ändert sich halt auch total. Und dann natürlich auch nach wie vor Familie und Freundeskreis. Also da zu merken, ich bin da halt nicht Jasmin, die Geschäftsführerin oder Unternehmerin oder was auch immer das für eine Identität ist, die man mit seiner Arbeit dann natürlich auch nochmal repräsentiert. Ich bin da halt Jasmin, die Schwester. Ich bin Jasmin, die Tochter. Jasmin, die Freundin. Also solche Aspekte irgendwie auch gut ernst zu nehmen als Ausgleich. Das hilft mir auf jeden Fall für den Stressabbau.

Langsamkeit zulassen

Jasmin [00:18:37]:

Genau. Und für die Arbeit vielleicht auch nochmal, da auch eine Langsamkeit zuzulassen. Also ich glaube, so Start-up ist generell, das ist schwierig, weil es ist alles sehr schnell, es ist alles sehr viel. Die letzten zwei Jahre waren die lautesten Jahre in meinem Leben bis jetzt und auch sehr anstrengend. Ich war viel vor dem Punkt, dass ich gedacht habe, vielleicht ist das zu anstrengend. Aber da auch dann irgendwann mal zu sagen, hey, vielleicht mich selber nicht so ernst nehmen, und ein bisschen kleinere Schritte zu machen. Das habe ich jetzt gerade von einem Gründer, das fand ich sehr inspirierend, der meinte, er macht einfach immer kleine Schritte, er geht Schritt für Schritt. Und das hat sehr mit mir resoniert.

Jasmin [00:19:19]:

Anstatt zu sagen, nächstes Jahr müssen wir das machen. Klar, es ist wichtig, eine Vision zu haben. Und auch da jeden Tag noch malzunehmen und einfach weitermachen, hat halt auch voll den Wert.

Auch in kurzer Zeit schon viel erreicht 

Mechthild [00:19:31]:

Spannend. Klingt auf jeden Fall gut. Und das mit dem Langsam machen finde ich auch wichtig, weil es dauert, ja auch lange bis sich sowas aufbaut und gerade wenn man vielleicht auch noch eine Behinderung hat, durch die man wieder noch mehr Pausen machen muss oder mehr auf sich achten muss. Das merke ich auch, dass dann alles ein bisschen länger vielleicht dauert. Aber ihr habt ja in den zwei Jahren auch schon viel erreicht und geschafft und viel Sichtbarkeit für das Thema auch geschaffen. Das finde ich auf jeden Fall, was ich so sehe.

Umgang mit Stress bei vielen parallelen Projekten 

Jasmin [00:20:04]:

Was machst du so? Das würde mich auch interessieren. Wie gehst du damit, mit Stress in deiner Arbeit? Du hast ja auch viele parallele Projekte.

Feste Arbeitszeiten

Mechthild [00:20:12]:

Ja, genau. Ich kann ja nur von wie es gerade ist sprechen, dass ich halt versuche, auch wirklich so feste Arbeitszeiten zu haben, weil ich merke, dass es dann auch mir hilft zu sagen, okay, jetzt ist Abend, jetzt mache ich nichts mehr und auch dann diese Zeit dann auch bewusst für mich zu nehmen oder auch mich mit Freunden treffen oder so und ja auch immer zu gucken okay was ist möglich und wo ist es auch nicht möglich was zu machen. 

Unterstützung holen 

Zum Beispiel habe ich jetzt die letzten Monate mir dann auch professionelle Unterstützung für meine Social Media geholt, weil ich gemerkt habe, dass ich das nicht mehr alleine schaffen würde, auch wenn es mir wichtig ist, da sichtbar zu sein, aber dass ich selber jetzt nicht alle Texte schreiben kann zu jedem Social Media Beitrag und alle Canva Grafik machen kann und da eher jemand habe, der das machen kann. 

Ich habe dann wieder mehr Zeit für meine Workshops oder auch den Podcast. Und so sieht man, dass ich immer wieder gucke, was sind die Sachen, wo ich Unterstützung brauche und die Sachen, die ich vielleicht dann auch gar nicht machen muss oder auch Projekte, die zwar interessant sind, aber die vielleicht auch nicht so mir auf langfristige Sicht nicht so viel Spaß machen oder mir zu viel Energie nehmen, je nachdem, wie man das formulieren will.

Jasmin [00:21:32]:

Also quasi auch einfach Nein zusagen und nach Unterstützung zu fragen, nach Hilfe zu fragen. Beides voll die schwierigen Sachen eigentlich.

Es ist nicht immer möglich 

Mechthild [00:21:41]:

Ja, und das ist dann teilweise eben auch mit finanziellen Faktoren verbunden, ob das überhaupt möglich ist oder auch zeitlichen Faktoren. Aber es ist wahrscheinlich auch immer wie ein Lernprozess und immer wieder auch, wie es sich entwickelt.

Jasmin [00:21:59]:

Ja, voll. Es ist auch phasenweise, ob es einem da gerade Ich würde sagen, gerade gelingt es mir eigentlich sehr gut. Das, was ich am Anfang gesagt hatte, mit Wochenende zu arbeiten. Wenn ich mir das selber noch mal ausspreche, grad vorhin, dann denke ich mir so, oh Gott, das ist eigentlich echt nicht gut gewesen in der Zeit. Und klar, gerade mit dem Aspekt, man hat selber eine chronische Erkrankung, man hat selber eine Behinderung, und arbeitet dann noch mal an einem Thema, das sehr persönlich ist. 

Auch in der Gesellschaft wird Stress hochgehalten

Es wird ja auch gesellschaftlich hochgehalten. Wir sind alle gestresst, das ist ja normal. Auch so eine ganz komische Aussage. Also sich davon freizumachen oder auch erstmal herauszunehmen und zu sagen, hey, ich bin jetzt auch wichtig. Das gelingt halt mal besser, mal schlechter. Und gerade, würde ich sagen, gelingt es mir tatsächlich ganz gut.

Urlaub machen ist schwierig

Mechthild [00:22:52]:

Das ist gut. Bei mir ist das Thema Urlaub. Das hat einerseits auch damit zu tun, dass es je nach dem Urlaub machen für mich auch anstrengender ist mit dem Rolli und der Planung dafür. Auch dieses sich Zeit zu nehmen, freizunehmen und auch eine längere Zeit frei zu nehmen zu können und nicht sich so verpflichtet zu fühlen immer erreichbar zu sein. Da versuche ich im nächsten Jahr auch noch mal besser, die Zeiten dann, also jetzt in 2025, das einzuplanen.

Jasmin [00:23:22]:

Hast du das schon gemacht? Hast du schon deinen Urlaub geplant für 2025?

Mechthild [00:23:25]:

Teilweise ja. Teilweise stehen auch Sachen fest, dass wir zum Beispiel auf einer Hochzeit von einer Freundin sind, wo ich dann auch die Woche vorher noch dort verbringen will, weil das in Rumänien ist. Aber sonst mal gucken, vielleicht noch ein, zwei andere Sachen, wo ich stehen habe, mit Freundinnen. 

The Break 2022

Ich hatte am Anfang gesagt, dass die Geschichte, wie wir uns kennengelernt haben, auch noch witzig ist. Wir haben uns ja bei so einem großen Programm, das heißt The Break, wo ich auch schon einige Personen hier im Podcast jetzt hatte, die dabei waren, die ich auch darüber kennengelernt habe. Und ich weiß nicht, also vor Ort habe ich dich nicht wahrgenommen. Ich weiß nicht, ob du mich gesehen hast. 

Nicht barrierefreie Bühne

Weil wir waren ja da in Spanien und in Madrid bei diesem Event am Ende, wo wir alle aus unseren kleinen Gruppen alle noch mal mit der großen Gruppe zusammengekommen sind, war ich dann auf der Bühne mit meiner Gruppe und diese Bühne hatte auch keine Rampe, obwohl die wussten, dass ich als Rollstuhlfahrerin da auch teilnehme.

Mechthild [00:24:33]:

Und da musste ich erstmal aussteigen, auf diese Bühne zu kommen. Und dann hatte ich aber hinterher, hattest du mir von deinem Projekt einen quasi Bierdeckel auf den Tisch gelegt. Oder einer aus meiner Gruppe hatte mir diesen Bierdeckel von dir auf den Start gegeben. 

Barrierefreiheit war dort ein großes Thema für mich

Da dachte ich so, oh, noch ein anderes Projekt, das sich das Thema Menschenbindung, chronischer Krankheit dreht und auch ein deutschsprachiges Projekt. Weil da war ich so ein bisschen auf der Suche nach diesem ganzen, weil das war ja ganz viele Selbstständige mit ganz vielen unterschiedlichen Projekten und nicht nur alleine irgendwie auf unsere Themen bezogen und diese ganze Barriere, Thema Barrierefreiheit bei dem Projekt war auch ein bisschen anstrengend. Ich weiß nicht, ob ich dir das erzählt hatte, dass ich ja noch eine Woche vorher meine Gruppe gewechselt habe.

Jasmin [00:25:21]:

 Ach so, ja, stimmt. Du warst auf einer Insel, oder? Also du warst in Fuerteventura oder so, ne?

Mechthild [00:25:26]:

Ja, Gran Canaria waren wir am Ende.

Jasmin [00:25:28]:

Ah, Gran Canaria.

Eigentlich in einer Gruppe in Andalusien

Mechthild [00:25:29]:

Ja, genau, auf den Kanaren. Aber eigentlich wäre ich in einer Gruppe zugeteilt gewesen, die in Andalusien war. Aber auch in den Bergen von Andalusien. Also nicht mal irgendwo am Meer oder so. Dann habe ich denen schon am Anfang, als ich zu dieser Gruppe zugeteilt wurde, gesagt, denkt ihr, das ist eine gute Idee, mich dazu in diese Gruppe zu bringen. Und die meinten, ja, das geht alles, wir haben darauf geachtet. Die eine meinte sogar, ja, mein Onkel sitzt auch im Rollstuhl, ich kenne mich damit aus. 

Vertrauen in andere Leute

Da dachte ich mir schon, okay, wenn ich dann vertraue, weil manchmal muss man ja auch Leuten vertrauen. Natürlich habe ich immer das Gefühl, ich weiß schon selber, was gut ist und was nicht, aber ich war halt auch nicht vor Ort. Und dann war er ja im November dort und im Oktober war ja eine andere Gruppe schon vor Ort. Aus dieser Gruppe kannte ich wieder eine andere Freundin, die wieder dort Leute kannte, die mir dann Videos geschickt haben, wie steinig das ist und hügelig und dass auch der Zugang zu dem Co-Working-Space, wo wir hätten arbeiten sollen, gar nicht zugänglich gewesen wäre.

Gespräch mit Eleonora

Mechthild [00:26:37]:

Und in den Vorgesprächen ging es eigentlich oft mehr diese Aspekte als die Beratung, die ich eigentlich auch hätte bekommen sollen, zum Unternehmen. Anderthalb Wochen vorher habe ich mit einer aus der Gruppe in Gran Canaria gesprochen, der Eleonora, die auch ein Projekt hat, wo sie barrierefreies Reisen auch mit bewirbt und promotet. Dann meinte sie, warum bist du nicht in dieser Gruppe in Gran Canaria? 

Die ist wirklich barrierefrei hier, die Insel und auch der Co-Living Space und so. Und dann meinte sie, ja ich weiß nicht. Ich habe das angesprochen, aber mir wurde das so gesagt, dass das andere auch gut ist und besser wäre. 

Wechsel der Gruppe eine Woche vor dem Start

Dann haben wir halt mit ihr und noch meiner anderen Freundin Lisa, die auch ja MBSR-Trainerin ist und auch bei The Break war, mit der ich auch mal eine Folge aufgenommen habe, in der Woche mit den Organisatoren das geregelt, dass ich dann doch noch die Gruppe wechseln konnte innerhalb von ein paar Tagen. Dann hatte ich eine Woche vorher halt die Zusage, bevor wir hingeflogen sind, dass ich wechseln kann. Es wirklich gut und auch dieser Ort war ja wirklich sehr barrierefrei. Da gab es sogar so Stege, wo man mit dem Rolli direkt ins Wasser fahren konnte oder ans Meer fahren konnte.

Vor Ort selbständig sein

Mechthild [00:27:58]:

Und natürlich war es da auch teilweise, ging es auf und ab, aber im Großen und Ganzen konnte ich dort selbständig einkaufen gehen, zum Strand, zu dem Co-Working-Space und so, was mir halt ja wichtig ist, dass ich nicht immer Leute fragen muss für alles.

Jasmin [00:28:13]:

Ja, ich finde, also ich habe dich erst am Ende gesehen bei der Veranstaltung und da ist es mir total ins Auge gestochen. Das ist ja von der EU ein Programm gewesen für Gründerinnen und Gründer. Es hatte den Anspruch, schon auch sehr inklusiv zu sein. Und dann war halt dieser Moment, wo du auf die Bühne gehen wolltest und es gab halt keine Möglichkeit für dich, mit deinem Rollstuhl auf die Bühne zu kommen. Was ich ziemlich, also ich, alle in unserer Gruppe, ich glaube, allen anderen ist das auch total ausgefallen.

Barrieren direkt ansprechen 

Mechthild [00:28:49]:

Ja, ich habe es dir sogar gesagt, weil ich bin da jemand, der das dann ja auch anspricht, wenn das so passiert, weil das eben genau die Beispiele sind, wo Leute nicht drauf achten.

Jasmin [00:28:57]:

Genau, ja, und total wichtig auch. Also ja, krass, was du gerade erzählst von deiner Erfahrung dort. Du hast es mir schon mal im Kleinen erzählt. Ist das etwas, was dir öfter passiert? Es passiert dir wahrscheinlich öfter, dass du merkst, es wird einfach nicht mitgedacht. Obwohl man diesen Anspruch ja eigentlich erfüllen möchte als Programm oder Projekt oder im Alltag.

Es war ein EU-Projekt

Mechthild [00:29:21]:

Ja, auf jeden Fall. Vor allem, weil dort war ja auch so der Anspruch, es ist ja ein EU-gefördertes Projekt, da muss das halt ja eigentlich dabei sein. Aber ich kenne auch Leute, für die das eben nicht möglich war, daran teilzunehmen, das zu machen, weil deren Barrierefreiheitsanforderungen nicht angenommen werden konnten. Und selbst für mich war es halt ja auch, also es geht für mich dann auch mal drei Wochen nicht, meine Therapie zu haben, Physiotherapie. 

Für einige Zeit auf Therapie verzichten

Aber ich denke mir, bei anderen Menschen wird es viel schwerer sein, drei, vier Wochen auf Behandlung und so zu verzichten, weil man irgendwo in Spanien dann vielleicht nicht genau das gleiche bekommen kann, was man hier hat, weil ja einfach die Sprachbarriere da ist oder auch einfach weil es nicht so einfach möglich ist, selbst hier ist ja nicht einfach möglich, Physiotherapie Termine zu bekommen, wie soll ich das dann irgendwo anders bekommen. 

Das ist einfach diese Dinge, dass ich vielleicht noch gerade so darauf verzichten kann und auch dann sehr flexibel bin, weil das eben nicht für jeden so möglich ist, das zu machen. Und das hat wieder viel Kraft gekostet und auch viel Einsatz von mir und anderen, gerade auch von anderen, die mich dann wieder auch unterstützt haben, weil ich hätte das dann vielleicht einfach so auf mich beruhen lassen und gesagt, okay, ja, ich habe ja das versucht, aber es hat nicht geklappt. Aber die Eleonora und die Lisa haben sich halt dann mit mir sehr da eingesetzt, dass das passiert.

Mechthild [00:30:50]:

Und da bin ich auch sehr dankbar. Für ihre ganze Gruppe eigentlich, weil ich habe gehört, dass dann bei deren Ende in Madrid, die sehr da auch darüber gesprochen haben, mit den Organisatoren, dass es geändert wird noch für mich.

Auch andere DEI-Themen waren dort nicht immer einfach

Jasmin [00:31:04]:

Ja, bei uns, also ich glaube, das Programm The Break war generell einfach eine krasse Erfahrung, wahrscheinlich auch für die Organisatorinnen damals, weil bei uns also ein Thema, klar, Inklusion war irgendwie auch ein großes Thema dann, aber ich war die Einzige auch bei uns in dem Haus, die an dem Thema Barrierefreiheit oder Inklusion in dem Sinne gearbeitet hat. Bei uns war auch noch ein anderes Thema, war LGBTQ+, und da irgendwie auch die richtige Sprache zu finden, weil es würde ja auch viel über Hey Girls und so gesprochen. Das sind halt Worte, gerade wenn man nicht Muttersprachlerin ist im Englischen oder so, die nimmt man dann halt so in den Mund. Dann sagt man halt so Hey Girls für ein Programm, das für alle Frauen irgendwie gegründet ist. 

Nach Pronomen wurde nicht gefragt

Bei uns gab es eine in der Kohorte, die halt sehr darauf gepocht hat, hey Leute, warum hat mich noch niemand nach meinem Pronomen gefragt? Wieso hat mich noch niemand gefragt, wie ich eigentlich angesprochen werden will? Ich identifiziere mich gar nicht als she/ her. Ich identifiziere mich anders. Und das war damals für mich, das war voll die Lernerfahrung.

Nicht die Aufgabe von anderen, dass ich mich weiterbilde

Also dieser Aspekt hat mir dann noch mal gezeigt, okay, ich setze mich mit diesem Thema nicht auseinander, es ist keine Entschuldigung. Und es ist auch nicht die Aufgabe der anderen Person, mich da hingegen zu bilden, weil das ist meine eigene Verantwortung, das herauszufinden. Das ist ja auch beim Thema Rassismus genauso, dass man sagt, okay, es ist nicht mein Job, dir zu sagen, wie ich mich jetzt dadurch fühle, wenn du dich rassistisch verhältst, es ist deine Aufgabe, dich weiterzubilden.

Dilemma zwischen Aufklärungsarbeit und nicht immer mit dem Thema zu beschäftigen

Jasmin [00:32:36]:

Und es ist für mich auch eine emotionale Belastung, da immer wieder so meinen Case aufzumachen, über meine persönliche Geschichte zu reden. Und gleichzeitig ist es ja auch, ich weiß nicht, das würde mich auch interessieren, wie du das siehst, in deiner Arbeit machst du ja auch Aufklärungsarbeit, indem du quasi auf sowas jetzt gerade auch in diesem Podcast, in dem du von sowas berichtest. 

Wie gelingt es dir gleichzeitig einerseits zu sagen, okay, das ist meine persönliche Geschichte und die dient dann vielen Menschen vielleicht auch als Erfahrungswert oder irgendwie als Lernbildungsaspekt und gleichzeitig zu sagen, ich möchte ja aber auch nicht die ganze Zeit mit meiner persönlichen Geschichte da irgendwie stehen? Weißt du, was ich meine? Also dieses Dilemma zwischen, lass mich alle so ein bisschen in Ruhe und andererseits zu sagen, ich habe mich jetzt dafür entschieden, meine Lohnarbeit auch dem zu widmen.

Erstmal mit anderen Themen beschäftigt

Mechthild [00:33:31]:

Ja, ich finde es auch ein schwieriges Thema und das ist sicher bei mir ein Grund, warum ich in meinen Zwanzigern vor allem erstmal auch in einer anderen Agentur im Marketing gearbeitet habe, wo ich gar nichts mit dem Thema zu tun habe, weil ich nicht eigentlich immer zu diesen Leuten gehören wollte, die dann mit der Behinderung auch Geld verdienen oder immer das Thema Behinderung zum Thema machen. 

In das Thema Kunst und Kultur reingerutscht

Dann bin ich irgendwann über verschiedene andere Projekte in den Bereich Inklusion und Kultur reingerutscht und habe gemerkt, dass mir das Thema Inklusion doch wichtig ist und dass ich mich gerne damit beschäftigen will. 

Wenige Personen, die Achtsamkeit und Behinderung verbinden

Als ich dann meine MBSR-Lehrerinnen-Ausbildung gemacht habe, habe ich da auch gemerkt, es gibt noch wenig Menschen, die das mit dem Thema Behinderung oder chronischer Krankheit verknüpfen, obwohl er eigentlich John Kabat-Zinn, der Gründer von MBSR, der Begründer, auch damals das in der Klinik für Schmerzpatienten und Menschen mit chronischen Krankheiten auch mitentwickelt hat. Das waren eigentlich die ersten Personen, die das Programm damals mit ihm durchgeführt haben. 

Und das wird dann aber wieder so ein bisschen, dadurch, dass es in den Mainstream gekommen ist, ein bisschen wieder ausgeblendet. Und auch der Ort, wo ich meine Ausbildung gemacht habe, war jetzt auch nicht richtig barrierefrei. Da habe ich mich auch dann wieder angepasst, auch teilweise Treppen zu laufen, zum Veranstaltungsraum zu kommen und so. Aber es ist eben auch nicht für jede Person so möglich, wie es für mich möglich ist.

Am Anfang eher auf den Inhalt fokussiert

Mechthild [00:34:57]:

Dann auch mit der Geschichte teilen, also das fällt mir auch schwer und am Anfang habe ich auch eher mich so auf den Inhalt fokussiert, weil es mir auch wichtig war, immer zu zeigen, dass es meine eigene Erfahrung ist, aber ich habe auch diesen wissenschaftlichen Hintergrund. Es gibt ja auch viele wissenschaftliche Studien zu dem Thema. 

Im Laufe der Zeit persönliche Geschichte mehr mit einfließen lassen

Nach und nach habe ich mich dann auch mehr getraut, auch immer mehr meine eigene Geschichte einfließen zu lassen und auch zu teilen. Jetzt auch mit dem Podcast wieder andere Geschichten zu teilen und auch zu merken, okay, viele Menschen beschäftigen sich ja mit diesen Themen auch und wir sind nicht alleine uns damit zu beschäftigen. Aber es ist immer für mich auch so eine Balance zu gucken, okay, wie viel will ich mich damit beschäftigen und wie viel will ich eben auch andere Sachen machen. 

Identitätstheorie

Jasmin [00:35:48]:

Ich finde es auch spannend, wie so die Resonanz zu generell so Identitätstheorien und sowas ist bei uns in der Gesellschaft. Also inzwischen ist es ja auch mehr angekommen, aber gerade noch so vor so ein paar Jahren, ich würde mal sagen, ist das ein bisschen mehr angekommen, aber noch vor ein paar Jahren wurde das ja auch gar nicht ernst genommen. 

So dieser Aspekt, naja, du bist selber vielleicht eine schwarze Frau und von Rassismus betroffen. Jetzt hast du, wie zum Beispiel Emilia Roig, das Zentrum für Intersexualität gegründet, selber davon, also eine schwarze Frau, vielleicht auch Rassismus-Erfahrungen gemacht. Okay, das bedeutet, du bist gar nicht so objektiv, weil das zu persönlich ist. 

Erfahrungswissen ist wichtig

Anstatt zu sagen, hey, vielleicht weiß ich gerade deswegen noch mehr, wovon ich rede, weil ich diese Erfahrungsperspektive habe. Und Erfahrungswissen existiert, das ist ein Ding. Das sollte auch anerkannt werden.

Mechthild [00:36:37]:

Ja, das finde ich auch wichtig, dass auch diese Erfahrung gesehen wird, dass man die auch teilen kann und das auch hilft, wenn jemand anders dieser Erfahrung hat. Und das ist ja eigentlich, was ihr auch in eurer Arbeit macht und ich auch mit meinen Workshops eigentlich schon mache. Genau. 

aMStart weiterempfehlen

Hast du noch irgendwas, was wir jetzt nicht geteilt haben, wo du noch was zu sagen möchtest?

Jasmin [00:37:01]:

Vielleicht würde ich noch mal so einen Aufruf machen an Menschen, die die Diagnose Multiple Sklerose, also diese Diagnose haben oder jemanden kennen, der diese Diagnose hat oder Angehörige sind und das Gefühl haben, das könnte sie unterstützen, einfach mit einer anderen Person mal zu sprechen. 

Ihr müsst keine Mitgliedschaft vereinbaren. Es ist wirklich sehr, sehr niederschwellig. Es ist kostenfrei, es ist digital, also von jedem Ort machbar. Ihr könnt so viele Gespräche buchen, wie ihr möchtet, ihr könnt aber auch nur ein Gespräch buchen. Und es ist immer mit einer Person, die eben auch in einem jungen Erwachsenenalter ist. Wenn ihr selber so ein Gespräch wahrnehmen wollt, dann geht gerne auf unsere Plattform. Wenn ihr jemand kennt, dem das unterstützen würde, dann leitet das gerne weiter.

Schulungen für Gesprächspartner*innen

Jasmin [00:37:44]:

Wenn ihr selber Gespräche führen möchtet, den Raum halten wollt, dann meldet euch bei uns. Wir bieten Schulungen an für GesprächspartnerInnen. Genau, das noch so. Das würde mir gerade noch am Herzen liegen, das noch mal zu betonen. Ein bisschen Eigenwerbung.

Gespräche sind kostenlos 

Mechthild [00:37:59]:

Sehr gerne. Dann verlinke ich auf jeden Fall eure Plattform auch noch in die Show Notes. Und du hast gesagt, das ist kostenlos, das heißt, ihr werdet dann auch gefördert.

Jasmin [00:38:07]:

Ja, das ist eine ganz wichtige Devise zu sagen. Also das ist mir total wichtig, auch als Gründerin zu sagen, wir nehmen kein Geld an für diese Gespräche, sondern wir versuchen kreative Wege zu finden, wie man uns als Unternehmen und unsere Arbeit, das sind ja auch hauptamtliche, die mit am Start sind, zu finanzieren und zu fördern. Da ist gerade halt Stiftung, also die gemeinnützige Hertie-Stiftung https://www.ghst.de/. Shoutout an allen voran, die uns unterstützt, weil es einfach eine gemeinnützige Organisation ist und wir einen gemeinnützigen Zweck haben. Und in der Zukunft suchen wir gerade natürlich auch noch nach anderen kreativen Wegen, wie man das auch uns für unsere Arbeit auch bezahlen kann.

Jasmins Selbstfürsorge-Praxis 

Mechthild [00:38:47]:

Ja, okay, sehr gut. Das finde ich auch mal wichtig zu teilen. Als allerletzte Frage, wir sind ja schon ein bisschen darauf eingegangen, aber vielleicht hast du noch konkret irgendwas, was du gerade für deine Selbstfürsorge machst, dass es dir gut geht mit allem, was du so tust?

Pausen machen und innehalten

Jasmin [00:39:06]:

Ja, ich habe da gerade gestern darüber reflektiert, weil ich sonntags immer Therapie mache und da mir auch so ein bisschen den Raum schaffen möchte, nochmal für mich selber ein bisschen Pause zu machen und innezuhalten. 

Und ich glaube, den Aspekt, den wir schon angesprochen haben, Pausen, das passt jetzt einfach gerade auch, weil wir jetzt kurz vor den Feiertagen stehen und ich gerade auch merke, ich brauche jetzt gerade wieder eine Pause. 

Gedanken aufschreiben

Was ich auch mache, und das ist sehr Klischee, aber mir hilft das, ist, meine Gedanken aufzuschreiben. Also wirklich klassisch Tagebuch schreiben. Weil ich gemerkt habe, dass das am Endeffekt die gleiche Methode ist, die meine Therapeutin bei mir benutzt in der Therapiesitzung, die Gedanken noch mal zu denken und langsamer zu denken und vielleicht auch noch mal für sich aufzuschreiben. Das ist ja auch genau das Gleiche, sehr ähnlich zu der Therapie. Wie geht das Ihnen? Was denken Sie dazu? Wie fühlen Sie sich dabei? Das ist der Modus, den ich auch einschalte, wenn ich einfach selber meine Gedanken aufschreibe. Da habe ich gemerkt, das bringt mir schon sehr viel, was zu machen.

Mechthild [00:40:09]:

Ja, gut. Sehr gut. Ja, schreiben finde ich auch immer wichtig. Ich habe so Phasen, wo ich mal wieder mehr schreibe oder weniger. Aber ich versuche nächstes Jahr auch wieder ein bisschen mehr darauf zu achten, jeden Tag was aufzuschreiben. 

Nicht an Projekten teilnehmen können

Ja, vielen Dank für deine Zeit, dass du hier warst im Podcast und dass wir jetzt so viel geteilt haben. Auch, dass ich die Geschichte mit The Break jetzt mal teilen konnte, weil ich hatte irgendwie gedacht, ich hätte das schon mal im Podcast erzählt, aber es hat sich doch noch nicht gegeben. Jetzt ist es auch mal im Podcast, weil ja, das ist auch ein krasses Erlebnis, finde ich, was viele Menschen vielleicht nicht in dieser Art, aber vielleicht in ähnlichen Arten haben, dass sie irgendwo nicht teilnehmen können oder dass wir erst gar nicht darüber nachdenken, irgendwo teilnehmen zu können, weil wir das Gefühl haben, dass Barrieren in uns weggelegt werden und wenn es dann wieder passiert, dann ist es irgendwie auch anstrengend und schwierig.

Es ist wichtig, Erlebnisse zu teilen

Mechthild [00:41:02]:

Aber ich fand den Moment so bestätigend, dass ich eben nicht alleine war und hoffe, dass viele andere Menschen auch so Unterstützerinnen haben, Dinge zu machen, die wichtig sind.

Jasmin [00:41:15]:

Ja, total wichtig, dass du das geteilt hast. Ich meine, ich habe das ja damals als Beobachterin miterlebt. Und das hat mit allen was gemacht, die das miterlebt haben. Und es macht wahrscheinlich mit allen was, die jetzt zuhören und auch nochmal verstehen, das ist kein Add-on, das ist kein Plus. Gleichzeitig sollten wir vielleicht mal gucken, auch für Menschen mit Behinderung, wie ist das da aufgestellt? Das sollte eigentlich die Norm sein. Und dann können wir da wirklich über Inklusion sprechen.

Abschluss der Folge

Mechthild [00:41:46]:

Genau. Und ja, dann wünsche ich euch ganz viel Erfolg für euer Projekt im nächsten Jahr, also 2025, diesem Jahr im Podcast. Nicht immer zu verwirrt zu sein. Genau, und dann bis bald.

Jasmin [00:41:59]:

Ja, vielen Dank, bis bald.

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